Strahlenschildkröte

Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata) im Zoo Basel
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Ordnung: Schildkröten (TESTUDINATA)
Unterordnung: Halsbergerschildkröten (CRYPTODIRA)
Familie: Landschildkröten (Testudinidae)

D CR 650

EEPStrahlenschildkröte

Astrochelys radiata • The Radiated Tortoise • La tortue rayonnée

301 011 003 013 geochelone radiata berlin PDStrahlenschildkröte (Astrochelys radiata) im Zoo Berlin © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 013 geochelone radiata mapApproximative Verbreitung der Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata)

301 011 003 013 geochelone radiata2 bsl PDStrahlenschildkröte (Astrochelys radiata) im Zoo Basel © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 013 astrochelys radiata carnoules PD1Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata) im Village des Tortues, Carnoules © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 013 astrochelys radiata touroparc PD1Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata) im Touroparc Romanèche-Thorins © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 013 astrochelys radiata amneville PD1Konfiszierte Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata) im Zoo Amnéville © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 013 geochelone radiata bird PD1Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata) angesiedelt auf Bird Island, Seychellen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 013 geochelone radiata bird PD2Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata) angesiedelt auf Bird Island, Seychellen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 013 astrochelys radiata reptilium PD1Junge Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata) im Reptilium Landau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 013 astrochelys radiata citesCarapax und Plastron der Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata). Zeichnung Urs Woy, Zürich, für CITES-ID-Manual

 

 

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Die Strahlenschildkröte ist eine recht große, attraktive und in der Natur hochbedrohte Art, die sich bestens als Botschafterin für Naturschutzprojekte in Madagaskar eignet und daher in relativ vielen Zoos gehalten wird.

Körperbau und Körperfunktionen

Strahlenschildkröten können eine Carapaxlänge von über 40 cm erreichen. Ihr hochgewölbter, glatter Rückenpanzer ist mit einem attraktiven Muster aus schwarzbraunen und gelben, radiär vom Zentrum der Schilder ausgehenden Bändern gekennzeichnet, das sich auf dem Plastron fortsetzt. Gelegentlich gibt es auch ganz gelb gefärbte Individuen. Es ist ein Nuchalschild vorhanden, das Supracaudalschild ist ungeteilt und auf jeder Seite des Carapax befinden sich 11 Marginalschilder. Der Panzerrand ist höchstens bei Jungtieren gesägt. Die Hornschuppen der Vorderbeine sind rund und flach [1; 4].

Verbreitung

Süd- und Südwest-Madagaskar auf einem Areal von rund 10'000 km² [3].

Lebensraum und Lebensweise

Die Strahlenschildkröte lebt in Trockengebieten mit unregelmäßigem Niederschlag, deren Vegetation durch Didiereaceen and Euphorbien charakterisiert ist. Sie ernährt sich von Pflanzen, hauptsächlich Gräsern und gebietsweise Opuntien, die nach Madagaskar eingeschleppt wurden und sich dort invasiv vermehren. Die Weibchen produzieren pro Gelege 1-9(-12) Eier. Die Zeitdauer bis zum Schlupf kann enorm variieren (81-565 Tage) [3; 6; 7].

Gefährdung und Schutz

Die früher häufige Strahlenschildkröte - Schätzungen des historischen Bestands belaufen sich auf 12 Millionen Tiere - hat in 25 Jahren einen Fünftel ihres Verbreitungsgebiets verloren, und die Bestände haben regional dramatisch abgenommen, innerhalb von 30 Jahren gesamthaft um mutmaßlich 80%. Gründe dafür sind teils Lebensraumverlust, teils nicht nachhaltiges Sammeln, hauptsächlich für den Verzehr innerhalb Madagaskars, wo die Tiere als Delikatesse gelten. Hinzu kommt ein bedeutender illegaler Handel. Allein im Jahr 2018 wurden verschiedenen Berichten zufolge etwa 18'000 Tiere bei madagassischen Exporteuren konfisziert. Die Art wird deshalb seit 2008 als vom Aussterben bedroht (Rote Liste: CRITICALLY ENDANGERED) eingestuft, obwohl die Bestandszahlen an sich noch recht hoch sind [3].

Die Art kommt in sieben Nationalparks oder sonstigen Schutzgebieten vor: Lac Tsimanampetsotsa National Park (432 km²), Beza Mahafaly Special Reserve
(675 km²), Cap Sainte Marie Special Reserve (17.5 km²), Andohahela National Park (760 km²), Berenty Private Reserve (2.5 km²), Hatokaliotsy (Site of Biological Interest, 218.5 km²) and PK3 nördlich von  Tulear (Site of Biological Interest, 125 km²) [3].

Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt.

Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):

  • Neun nordamerikanische Zoos (Audubon, Lincoln Park, Los Angeles, Toronto, Hogle, Miami, Henry Doorly und Knoxville Zoo sowie das Duke University Lemur Center) investierten 2015/16 auf Madagaskar insgesamt 200'645 USD in 11 unterschiedliche Schutzprojekte für die Strahlenschildkröte. Für die folgenden Jahre bis 2020 waren Mittel in vergleichbarer Höhe budgetiert [9].
  • 2018 wurden auf Madagaskar zahlreiche Strahlenschildkröten konfisziert, von denen nach wie vor viele in zwei Schutzzentren gepflegt werden. 1'000 Tiere wurden 2021 ausgewildert. Insgesamt hält die Turtle Survival Alliance (TSA) weitere 26'000 Schildkröten in fünf Schutzzentren. Das Madagaskarprojekt der TSA wird von zahlreichen Zoos in Europa und Nordamerika unterstützt [10].

Bedeutung für den Menschen

Am 19. Mai 1966 (nach anderen Quellen 1965) starb auf Tonga die uralte, blinde Strahlenschildkröte „Tu'i Malila“, die Kapitän James Cook auf seiner dritten Südsee-Reise im Jahr 1777 der königlichen Familie geschenkt haben soll. Da das Tier schon bei seiner Übergabe erwachsen war, muss es über 200 Jahre alt geworden sein, es sei denn, es sei zwischenzeitlich ausgetauscht worden, was aber nicht sehr wahrscheinlich sein soll [5].

Auf Madagaskar wird die Strahlenschildkröte gebietsweise gegessen. Von 1975-2021 wurde 1'275 Tiere legal aus Madagaskar ausgeführt, daon 1'042 Nachzuchten. Andere Länder erfassten von 1978-2000 nur 75, von 2001-21 dagegen 915 Nachzuchttiere bei der Ausfuhr [2].

Haltung

Die Haltung der Strahlenschildkröten hat sich in letzter Zeit stark verbessert. Aufgrund der Auswertung von Daten für die Jahre 1920-2016 wurde festgestellt, dass von den früher gehaltenen Tieren die Hälfte gestorben war, bevor sie 5 Jahre alt waren, und dass nur 5.5% ein Alter von mehr als 30 Jahren erreichten. Bei der 2016 lebenden Zuchtbuchpopulation waren 21.5% der Tiere jünger als 5 Jahre, und 13% waren 30 bis über 50 Jahre alt. Allerdings ist die Nachzuchtrate immer noch unbefriedigend [11].

Haltung in europäischen Zoos: Ende 2019 wurden von den Zollbehörden Hongkongs 49 illegal eingeführte Strahlenschildkröten konfisziert. Diese wurden 2021 in europäischen Zoos eingestellt. Die Art wird gegenwärtig (2024) in rund 100 Institutionen gehalten, wovon sich etwa ein Fünftel im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste.

Für die Art existierte ein Europäisches Zuchtbuch (ESB), das 2020 in ein "New Style" Erhaltungszuchtprogramm (EEP) umgewandelt wurde. Dieses wird vom Parken Zoo in Eskilstuna koordiniert. Es umfasste im Jahr 2021 ein Total von 706 Tieren, davon 39 im Berichtsjahr geborene, in 71 Einrichtungen [10]. Ferner gibt es im Rahmen der European Studbook Foundation ein Zuchtbuch, das überwiegend private Halter erfasst.

Mindestanforderungen an Gehege: Nach Reptiliengutachten 1997 des BMELF soll ein Terrarium für eine Kleingruppe mindestens 8x so lang und 4x so breit sein wie die Carapaxlänge. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.02.2024) schreibt für 1-2 Tiere ein Gehege vor, welches das 8x4-fache der Carapaxlänge misst. Für jedes weitere Tier kommt das 2x2-fache der Carapaxlänge dazu. Bei Unverträglichkeit müssen die Tiere einzeln gehalten werden. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) ist für 1-2 über 30 cm lange Tiere ein Behälter von 5 m² anzubieten. Für jedes weitere Tier ist die Fläche um 1 m² zu erhöhen.

Taxonomie und Nomenklatur

Die Strahlenschildkröte wurde 1802 vom englischen Arzt und Naturforscher George Kearsley SHAW, der als Kustos am Britischen Museum tätig war, als "Testudo radiata" erstmals wissenschaftlich beschrieben. Die Gattungsbezeichnung Testudo galt bis 1980. Danach wurde sie ersetzt durch Asterochelys und, weiter verbreitet, Geochelone. Die heutige Bezeichnung Astrochelys geht auf John Edward GRAY (1873) zurück und wurde 1994 wieder ausgegraben. Parallel dazu wird nach wie vor gelegentlich Geochelone verwendet [7; 8].

301 011 003 013 astrochelys radiata MH PD1Anlage für Strahlenschildkröten (Astrochelys radiata) im Zoologisch-botanischen Garten Mülhausen im Elsass © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

Literatur und Internetquellen

  1. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  2. CITES TRADE DATA BASE
  3. LEUTERITZ, T. & RIOUX PAQUETTE, S. (Madagascar Tortoise and Freshwater Turtle Red List Workshop). 2008. Astrochelys radiata. The IUCN Red List of Threatened Species 2008: http://www.iucnredlist.org/details/9014/0. Downloaded on 20 May 2017.
  4. NIETZKE, G. (1969)
  5. OBST, F. J. (1985)
  6. ROGNER, M. (2008)
  7. THE REPTILE DATA BASE
  8. TURTLE TAXONOMY WORKING GROUP (2014-21)
  9. AZA (2018)
  10. LAGERSTRÖM, L. (2021) Radiated tortoise (Astrochelys radiata) EEP Annual report 2021. Parken Zoo Eskilstuna.
  11. MARTEAU, A. et al. Tortoises unchained: overview of the captive population of Radiated tortoise (Astrochelys radiata) between 1920 and 2016. Poster EAZA-Tagung 2016.