Reh

Rehbock (Capreolus c. sapreolus) im Natur- und Tierpark Goldau
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hirsche (Cervidae)
Unterfamilie: Trughirsche (Capreolinae)
Tribus: Rehe (Capreolini)

D LC 650

Europäisches Reh

Capreolus capreolus • The Western Roe Deer • Le chevreuil d'Europe

119 006 009 001 C capreolus m sommer mulhouse PD1Rehbock (Capreolus capreolus) im Sommerkleid im Zoologisch-Botanischen Garten Mülhausen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus mapApproximative Verbreitung des Rehs (Capreolus capreolus)

119 006 009 001 C capreolus bock argeles PD1Rehbock (Capreolus capreolus) im Sommerkleid im Parc Animalier des Pyrénées, Argelès-Gazost © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus f winter BRN PD2Rehgeiß (Capreolus capreolus) im Winterkleid im Tierpark Dählhölzli, Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus hoor kitz KR1Rehkitz (Capreolus capreolus) im Herbst in Skånes Djurpark, Höör © Klaus Rudloff, Berlin

119 006 009 001 C capreolus m sommer lesangles PD1Rehbock (Capreolus capreolus) im Sommerkleid im Parc animalier Les Angles © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus f sommer mulhouse PD1Rehgeiß (Capreolus capreolus) im Fellwechsel im Zoologisch-Botanischen Garten Mülhausen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus f winter BRN PD1Rehgeiß (Capreolus capreolus) im Winterkleid im Tierpark Dähhölzli Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus DO bock PD1Rehbock (Capreolus capreolus) im Sommerkleid im Zoo Dortmund © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus DO geiss PD1Rehgeiß(Capreolus capreolus) mit Kitz im Zoo Dortmund © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus innsbruckRehgeiß (Capreolus capreolus) im Winterkleid im Alpenzoo Innsbruck © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus goldau PD2Rehkitz (Capreolus capreolus) im Natur- und Tierpark Goldau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus goldau PD1Rehkitz (Capreolus capreolus) im Natur- und Tierpark Goldau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 009 001 C capreolus weiss goldau NTPG1Geschecktes Rehkitz (Capreolus c. capreolus), das 2020 in die Auffangstation des Natur- und Tierparks Goldau eingeliefert wurde © NTP Goldau (NTP Goldau)

119 006 009 001 C capreolus weiss goldau NTPG2Dasselbe Tier im Alter von einem halben Jahr in Gesellschaft von zwei normal gefärbten Individuen im Natur- und Tierpark Goldau © NTP Goldau (Pressefoto)

119 006 009 001 C capreolus weiss wild wDreier1Weißes (Leuzismus) und normalfarbenes Reh (Capreolus capreolus), wildlebend bei Berlin © Wolfgang Dreier, Berlin

119 006 009 001 C capreolus m Teberda wDreier1Kaukasischer Rehbock (Capreolus c. caucasicus)im Wildpark des Teberda-Naturschutzgebiets, Karatschai-Tscherkessien, Russland © Wolfgang Dreier, Berlin

119 006 009 001 C capreolus perueckenbock KR1Perückenbock (Capreolus capreolus) im Park Dzikich Zwierząt Kadzidlowo (Einsiedeln), Polen © Klaus Rudloff, Berlin

119 006 009 001 C capreolus f sommer argeles PD2Zahme Rehgeiß(Capreolus capreolus) in Kontaktgehege im Parc Animalier des Pyrénées, Argelès-Gazost © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Rehabschüsse CHRehabschüsse in der Schweiz, 1933-2017

Briefmarke Reh1Sonderbriefmarke "Pro Juventute", Schweiz 1967, 10+10 Rp.

Briefmarke Reh2Briefmarke der DDR, 20 Pf.

119 006 009 001 C capreolus BambiWalt DISNEY’s „Bambi“ ist kein Rehkitz, sondern ein Weißwedelhirschkalb (Odocoileus virginianus) – hier in Gesellschaft eines Streifenskunks und eines Baumwollschwanzkaninchens

Wappen RehhorstWappen von Rehhorst in Schleswig-Holstein

 

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Als häufigste, aber wegen der zunehmenden Störung durch den ausufernden Freizeitbetrieb in Feld und Wald immer heimlicher lebende Cervidenart Europas, die auch eine große jagdliche und kulturelle Bedeutung hat, ist das Reh von großem zoopädagogischem Interesse und kann auch mit Anliegen des Naturschutzes vor unserer Haustür verbunden werden. Es ist daher in sehr vielen zoologischen Einrichtungen vertreten, als wegen seiner Nahrungsansprüche, seines komplexen Sozialverhaltens und seiner Stressanfälligkeit etwas heikler Pflegling aber nicht so häufig wie der Rot- oder der Damhirsch.

Körperbau und Körperfunktionen

Das Europäische Reh weist eine Kopf-Rumpflänge von (90-)100-129 cm, eine Schulterhöhe von 65-77 (55-84) cm, eine Schwanzlänge von 2.5-3 (1.5-5) cm und ein Gewicht von 20-30 kg bei den Böcken bzw. 17-29 kg bei den Ricken auf. Mittlere Körpermaße und Gewichte variieren regional, wobei die Bergmannsche Regel spielt: Rehe aus Skandinavien werden schwerer als solche aus dem Mittelmeerraum.

Der Körperbau des Rehs ist zierlich und feingliedrig, der Kopf schmal, der Rumpf hinten etwas überbaut und der Schwanz nicht sichtbar. Die Augen sind groß und haben lange Wimpern, der Nasenspiegel ist schwarz, das ihn umgebende Fell schwarz- und weiß gezeichnet. Die Beine sind schlank und relativ lang, die Klauen sind spitz, die Afterklauen gut entwickelt, berühren aber den Boden nicht. Es sind Voraugen-, Stirn- und Perianaldrüsen vorhanden, die Mittelfußdrüsen liegen unter gut sichtbaren Laufbürsten.

Das 16-18 cm lange Geweih ist oft stark geperlt. Es weist an jeder Stange bis zu 3 Enden auf, selten mehr. Namentlich im Kaukasus kommen Achtender, extrem selten sogar Zehnender vor. Bei alten, in der Jägersprache "Mörder" genannten Böcken können sich die Enden zurückbilden, sodass ein langes, dolchartiges Spießergeweih entsteht, ein Phänomen, das bereits von Conrad GESSNER anhand eines Exemplars aus dem Schloss des Grafen zu Zimber beschrieben wurde.

Das dünne, glatte Sommerfell ist rotbraun, das Winterfell ist graubraun und hat drahtige Deckhaare. Ganzjährig ist im Analbereich ein weißer Spiegel vorhanden. Rehe haben einen kleinen Magen, der Pansen fasst nur 4-6 Liter und sind daher auf konzentrierte, energiereiche Nahrung angewiesen [5; 6; 7; 18; 24].

Weiße und Schwarze Rehe und Perückenböcke

Wie bei anderen Tiere auch, treten beim Reh gelegentlich Albinos auf, d.h. Tiere mit einer angeborenen, rezessiv vererbbaren Pigmentstörung. Da der Körper keine Melanine bilden kann, sind das Haarkleid weiß und die Augen rot. Häufiger ist der Leuzismus, bei dem zwar Melanine gebildet werden, aber die Haut oder Teile davon keine oder nur wenige  Melanozyten enthalten. Auch dies ist genetisch bedingt, wobei die Vererbung von Leuzismus und Scheckung oft dominant erfolgt. Betroffene Tiere sind ganz weiß, blassgelb oder gescheckt und haben in der Regel blaue Augen. Dominant oder rezessiv vererbt wird der durch die Mutation unterschiedlicher Gene verursachte Melanismus, bei dem die Tiere durch eine vermehrte Einlagerung von Melanozyten in die Haut dunkler als normal oder ganz schwarz erscheinen [7; 17].

Urkundliche Nachweise über das Vorkommen schwarzer Rehe in Deutschland gibt es bereits vom um das Jahr 980, als Bischof Milo von Minden verlangte, dass jedes Jahr eine Anzahl schwarzen Rehwildes für die bischöfliche Küche zu liefern sei. Heimisch ist das schwarze Rehwild in Mitteleuropa also schon wenigstens 1'000 Jahre. Ende des 16. Jahrhunderts wird über schwarzes Rehwild bei Osnabrück und Verden berichtet. Die heute in Norddeutschland weitverbreiteten schwarzen Rehe gehen wohl auf Bestände in der Grafschaft Schaumburg und in der Nordheide um den Gartower Raum zurück. Die Haltung der Jägerschaft ist unterschiedlich: Während man in manchen Revieren die Schwärzlinge zu eliminieren versucht, werden sie anderswo dadurch gefördert, dass nur Böcke gejagt und die Ricken geschont werden [20].

Als Perückenböcke werden Rehböcke bezeichnet, die wegen Mangels an Testosteron, etwa als Folge einer Hodenverletztung oder von Kryptorchismus, nicht in der Lage sind, ein normales Geweih zu schieben. Bast und Knochensubstanz wuchern und das Geweihwachstum kommt nicht zum Stillstand, womit sich ein Gebilde formiert, das an eine Allongeperücke erinnert. Bei der Kastration männlicher Rehkitze sollten die Hoden bis zu einem Alter von 7 Wochen entfernt werden, damit sich kein Perückengehörn entwickelt [7; 21].

Verbreitung

Westliche Paläarktis: Albanien, Andorra, Armenien, Aserbeidschan, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Großbritannien, Iran, Irak, Italien, Kosovo, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Nord-Mazedonien , Moldawien, Monaco, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland Marino, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Syrien, Tschechien, Türkei, Ukraine, Ungarn, Weißrussland. Ausgestorben im Libanon und in Palästina, Wiederansiedlungsprogramm in Israel mit südeuropäischen Rehen [10; 22].

Lebensraum und Lebensweise

Rehe besiedeln Laub-, Misch- und Nadelwälder vor allem mit Zugang zu offenem Wies- und Kulturland, häufig Auwälder entlang von Flüssen, die sie problemlos durchschwimmen. In den Alpen gehen sie im Sommer bis auf eine Höhe von 2'400 m. Sie leben im Sommer einzeln bzw. als Mutterfamilien und bilden im Winter gemischtgeschlechtliche "Sprünge" von 3-8 Individuen oder, als sogenannte "Feldrehe", größere Rudel bis über 30, manchmal bis zu 100 Tiere. Sie haben ein polyphasisches Aktivitätsmuster. Wo sie nicht gestört werden, sind sie oft tagaktiv oder ruhen auf freiem Feld. In vom Menschen dicht besiedelten Gegenden mit vielen Störungen verlegen sie ihre Aktivitäten hauptsächlich auf die Nacht. Dies trifft insbesondere auf das dichtbesiedelte Schweizer Mittelland zu.

In waldreichen Habitaten nutzen dieRhe  Streifgebiete von 500-700 ha, im offenen Gelände von 800-1'000 ha. Sie sind ausgesprochene Selektiväser, die weiches, kohlehdydrat- und proteinreiches Futter bevorzugen. Zu Ihrem Speiseplan gehören junge Gräser, Kräuter, Blüten, Knospen, Schösslinge, Laub und Zweige sowie Samen und Früchte von - gesamteuropäisch - etwa 1'000 verschiedenen Pflanzenarten [6; 11; 12;18].

Die Böcke werfen ihr "Gehörn" zwischen September und Dezember ab. Zwischen April und Juni ist das neue Geweih fertig ausgebildet und wird gefegt. Ab jetzt bis zum Ende der Brunft verhalten sich die Böcke territorial. Die Paarungszeit fällt auf Juli-August. Sie geht einher mit heftigen, bisweilen tödlich endenden Kämpfen zwischen den Böcken und einem intensiven Treiben der Ricke durch den Bock, oft im Kreis, wodurch sich im Gras sogenannte "Hexenringe" bilden können. Nach einer Tragzeit von 273-294 Tagen, die eine Keimruhe bis zu 150 Tagen einschließt, setzt die Rehgeiß im Mai/Juni 1-2, selten 3-4 gefleckte Kitze mit einem Geburtsgewicht von 500-1'200 g. Diese sind Ablieger und beginnen der Mutter erst ab etwa dem 10. Lebenstag zu folgen. Mit ungefähr 3 Monaten werden sie entwöhnt, mit einem Jahr sind sie geschlechtsreif. Bei Rehgeißen, die im Sommer nicht befruchtet worden sind, kann es im Frühwinter zu einer Nebenbrunft kommen. In diesen Fällen entfällt die Keimruhe, d. h. die Tragzeit liegt bei ca. 150 Tagen und damit etwa gleich wie bei anderen vergleichbar großen Wiederkäuern [6; 13; 18; 25].

Gefährdung, Jagd und Schutz

Das europäische Reh hat eine weite Verbreitung und einen großen Bestand. Es wurde von der IUCN 2015 letztmals beurteilt und als nicht gefährdet eingestuft (Rote Liste: LEAST CONCERN) [7].

Der internationale Handel ist durch CITES nicht geregelt.

Situation in Mitteleuropa: Als Kulturfolger ist das Reh sehr anpassungsfähig. Es ist die erfolgreichste wildlebende Huftierart in Europa. Durch seine Anpassungsfähigkeit konnte es trotz der intensivierten Mehrfachnutzung seines Lebensraums durch den Menschen sein Areal ausdehnen und seine Bestandsdichten erhöhen [12].

In Deutschland war das Reh bis in die Neuzeit hinein eher selten und vermehrte sich erst im 18. Jahrhundert stark. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war es aber in großen Teilen des Reichsgebiets beinahe ausgerottet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Bestände wieder anzusteigen. Heute liegt die jährliche Jagdstrecke bei 1 bis 1.2 Millionen Tieren und es werden rund 200'000 Stück als Fallwild registriert (2019/20: Jagdstrecke 1'226'169) was bedeutet, dass es einen Frühjahrsbestand von rund 2.5 Millionen Tieren geben muss [2].

In der Schweiz war das Reh im 19. Jahrhundert überall selten oder ganz verschwunden, außer im Kanton Aargau, der damals als einziger das Revierjagdsystem kannte. Verschiedene Kantone führten deshalb Jagdverbote ein (Bern bereits anno 1787) und im ersten eidgenössischen Jagdgesetz von 1875 wurde die Jagd auf Geißen und Kitze landesweit verboten. Dies führte zu einem raschen Anstieg der Population [8]. Während der letzten zwanzig Jahre lag der geschätzte Frühjahresbestand zwischen 121'000 und 142'000. Im Jagdjahr 2022 wurden in der Schweiz im Rahmen der regulären Jagd 42'722 Rehe erlegt, davon 17'843 Böcke, 14'277 Geißen und 10'582 Kitze. 422 weitere Tiere wurden als "Spezialabschüsse" und 17'024 wurden als Fallwild registriert, davon waren 8'898 Opfer des Strassenverkehrs, 923 (effektive Zahl natürlich viel höher) wurden von großen Beutegreifern und 348 von Hunden gerissen, und 1'481 Kitzte wurden vermäht [4]. Zur Reduktion der Kitzverluste durch landwirtschaftliche Maschinen werden Mähwiesen bisweilen mit Drohnen abgesucht.

In Österreich dürfte der Rehbestand bei über 700'000 Stück liegen [14]. Im Jagdjahr 2019/20 wurden 285'610 (Vorjahr 278'312) Rehe erlegt, 68'100 wurden als Fallwild registriert, davon waren 38'185 Opfer des Strassenverkehrs [15].

Im Fürstentum Liechtenstein gibt es rund 600-700 Rehe.

Im Südtirol wurden im Jagdjahr 2020 insgesamt 7'851 Rehe erlegt [1].

Bedeutung für den Menschen

Wirtschaftliche Bedeutung: Ein erlegtes Reh liefert etwa 7-10 kg reines Muskelfleisch, was für Deutschland, Österreich und die Schweiz zusammen rund 10-13'000 Tonnen ergibt. Für ein aufgebrochenes Stück werden in der Schweiz 10-14 CHF / kg bezahlt (2018). In Bayern wird Rehgulasch für 12, Rehfilet für 45 € / kg angeboten. Die gegerbte Haut wird u.a. für die Herstellung von Handschuhen, Lederhosen und anderen Bekleidungsartikeln, für mittelalterliche Heftbindungen oder für technische Anwendungen z.B. als Poliermittel verwendet [diverse Internetquellen].

Kulturelle Bedeutung: Durch den Roman "Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde" (1923) und dessen Fortsetzung "Bambis Kinder" (1940) des österreichisch-ungarischen Journalisten und Schriftstellers Felix SALTEN (1869-1945) hat das Reh literarischen Weltruhm erlangt. Dies ist namentlich der jüngeren Generation nicht immer bewusst, denn in der Verfilmung des Romans durch Walt DISNEY (1942) wurde das Reh zum Weißwedelhirsch umfunktioniert. Im Angelsächsischen wurde "bambi hugger" im abschätzigen Sinn zum Synonym für Tierschützer.

Christian MORGENSTERN hat dem Reh eines seiner Galgenlieder gewidmet, und von Ludwig BECHSTEIN gibt es ein Märchen, in dem ein Rehbock eine Rolle spielt. 

Obwohl das Reh unsere häufigste Schalenwildart ist, sind relativ wenige Ortschaften nach ihm benannt oder führen es im Wappen. In Deutschland: 15345 Rehfelde, 23619 Rehhorst, 31547 Rehberg, 55566 Rehbach, 66907 Rehweiler, 95111 Rehau. In Österreich: Rehgraben und Rehberg. In der Schweiz: Rehetobel.

Haltung

Hauptsächliche Motivation für die Haltung unserer häufigsten Hirschart ist Umweltbildung, wobei es vorab dem Irrglauben entgegen zu treten gilt, dass "das Reh dem Hirsch seine Frau" ist, und dass im hohen Gras allein angetroffene Rehkitze in aller Regel nicht verwaist sind und daher in Ruhe gelassen werden sollten.

Rehe gelten als anspruchsvolle Pfleglinge. Die Jugendsterblichkeit ist relativ hoch, wobei allerdings bei Zwillingen gebärenden Huftierarten hohe Jungtierverluste einprogrammiert sind. Sie sind anfällig für Parasitosen und haben hohe Ansprüche an die Fütterung [17]. Die Hauptursache für das Zusammenbrechen blühender Rehzuchten dürfte allerdings die Tatsache sein, dass das Reh eine saisonal solitäre Tierart ist. Rehe bilden zwar im Winterhalbjahr Rudel, während des Sommerhalbjahrs leben sie aber einzeln, paarweise oder in Kleinfamilien. Wenn Rehe in relativ kleinen Gehegen ganzjährig in Gruppen gehalten werden, führt dies zu sozialem Stress, der das Auftreten unterschiedlicher Krankheiten begünstigt und eine erhöhte Mortalität zur Folge hat [3]. Rehe können allenfalls als Trios oder Quartette (1.3) gehalten werden, wenn sie als Kitze zusammengewöhnt wurden oder Töchter bei der Mutter gelassen werden. Das Zusetzen fremder Ricken ist meist problematisch [13].

Weil die Kitze Ablieger sind, werden sie oft als vermeintliche Waisen von gutmeinenden Menschen behändigt und in den Zoo gebracht. Währenddem die weiblichen Tiere bis ins hohe Alter zahm bleiben, werden die Böcke mit Eintreten der Geschlechtsreife aggressiv und attackieren als Folge ihres angeborenen Territorialverhaltens ihre Pfleger [7]. Eine Kastration ist möglich bis die Bockkitze etwa 7 Wochen alt sind. Erfolgt sie später, kommt es zur Bildung von Perückengehörnen und zwangsläufig zur Tötung des Tieres.

WEIGL gibt als Höchstalter für einen im Tierpark Bern gehaltenen weiblichen Wildfang rund 17 Jahre und 6 Monate an [16].

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in rund 250 Zoos gehalten, von denen sich gegen ein Drittel im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste.

Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll für bis zu 4 Tieren ein Gehege von mindestens 1'000 m² mit einer zugfreien Schutzhütte zur Verfügung stehen. Für jedes weitere Tier kommen 60 m² zur Basisfläche dazu. Es könnten also auf 2'000 m² 20 Rehe gehalten werden. Eine solche Haltung würde aber innerhalb kürzester Zeit das Todesurteil für die meisten Tiere bedeuten.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 2 Tieren ein Gehege mit natürlichen oder künstlichen Unterständen, die allen Tieren gleichzeitig Platz bieten sowie u.a. mit Sichtblenden und Fegebäumen vor, dessen Grundfläche 500 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 150 m² zur Basisfläche dazu. Auf 2'000 m² fänden also theoretisch 12 Rehe Platz, was ebenfalls nicht nachhaltig wäre.

Die 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) enthält keine Vorschriften für die Haltung von einheimischem Schalenwild.

Taxonomie und Nomenklatur

Das Reh wurde nach heutigen taxonomischen Regeln 1758 von Carl von LINNÉ unter der Bezeichnung "Cervus capreolus" erstmals wissenschaftlich beschrieben. Natürlich haben sich europäische Naturforscher schon zuvor mit dieser einheimischen Art befasst. So widmet  Conrad GESSNER 1563 in seinem "Thierbůch" dem "Reh / Rech / Rechbock  / Rechgeyß - Caprea, Capreolus seu Dorcas" ein längeres Kapitel. 1821 wurde es von John Edward GRAY vom Britischen Museum in die heute gültige Gattung Capreolus gestellt. Bis vor wenigen Jahren wurden alle Rehe in einer Art mit drei Unterarten (C. c. capreolus, C. c. bedfordi und C. c. pygargus) zusammengefasst. Nachdem die Taxonomen der jüngeren Generation die asiatischen Formen abgespaltet haben, wird das Europäische Reh in der Regel als monotypische Art angesehen, manche Autoren anerkennen allerdings bis zu 4-5 Unterarten [5; 7; 10; 18; 22; 23; 24]:

  • Europäisches Reh (Capreolus c. capreolus): Europa, außer wo andere UA vorkommen
  • Iberisches Reh (Capreolus c canus): Südspanien
  • Kaukasus-Reh (Capreolus c. caucasicus): Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Iran, Russland. Sehr großes Gehörn, selten mit mehr als sechs Enden, wurde bisweilen als Unterart des Sibirischen Rehs (Capreolus pygargus) angesehen.
  • Kurdisches Reh (Capreolus c. coxi): Syrien, Türkei, ev. Irak, ausgestorben in Israel (Mitte 20. Jahrhundert), Libanon, Palästina
  • Italienisches Reh (Capreolus c. italicus): Mittel- und Süditalien von der Toskana bis Kalabrien

119 006 009 001 C capreolus f sommer argeles PD1Rehgeiß (Capreolus capreolus) im Sommerkleid im Parc Animalier des Pyrénées, Argelès-Gazost © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Literatur und Internetquellen

  1. AUTONOME PROVINZ BOZEN-SÜDTIROL, FORSTAMT
  2. DEUTSCHER JAGDVERBAND
  3. DOLLINGER, P. (1981a)
  4. EIDG.JAGDSTATISTIK
  5. GESSNER, C., FORRER, K. & HEROLD, J. (1563)
  6. GRIMMBERGER & RUDLOFF (2009)
  7. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  8. KUSTER, A. (1966)
  9. LEHMANN, E. von & SÄGESSER, H. (1986)
  10. LOVARI, S. et al. (2016). Capreolus capreolus. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T42395A22161386. http://www.iucnredlist.org/details/42395/0. Downloaded on 26 May 2018.
  11. MÜRI, H. (1984a)
  12. MÜRI, H. (1984b)
  13. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  14. REIMOSER, F. (2005)
  15. STATISTIK AUSTRIA
  16. WEIGL, R. (2005)
  17. WERNER, O. (2004)
  18. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  19. WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
  20. WWW.JAGDREISEN.DE
  21. WWW.REHKITZHILFE.DE
  22. ISRAEL MINISTRY OF FOREIGN AFFAIRS - REINTRODUCING BIBLICAL WILDLIFE
  23. LEHMANN von, E. (1988)
  24. MASSETTI, M. (2000)
  25. HEDIGER, H. (1951)