Wasserreh

Wasserreh (Hydropotes inermis) im Zoo Berlin
© Klaus Rudloff, Berlin

Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hirsche (Cervidae)
Unterfamilie: Wasserrehe (Hydropotinae)

D VU 650

Wasserreh

Hydropotes inermis • The Water Deer • Le chevreuil des marais

119 006 011 001 hydropotes inermis branfere PD1Chinesisches Wasserreh (Hydropotes i. inermis) im Parc animalier et Botanique de Branféré, Le Guerno © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 006 011 001 hydropotes inermis mapApproximative autochthone Verbreitung des Wasserrehs (Hydropotes inermis)

119 006 011 001 hydropotes inermis map UKApproximative Verbreitung des Wasserrehs (Hydropotes inermis) in England

119 006 011 001 hydropotes BER KR2Chinesisches Wasserreh (Hydropotes i. inermis) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

119 006 011 001 hydropotes BER KR3Chinesisches Wasserreh (Hydropotes i. inermis) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

119 006 011 001 hydropotes inermis TPB KR1Chinesische Wasserrehkitze (Hydropotes i. inermis) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

119 006 011 001 hydropotes inermis TPB KR2Chinesische Wasserrehkitz (Hydropotes i. inermis) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

119 006 011 001 hydropotes inermis zoo berlin PM(1)Chinesische Wasserrehe (Hydropotes i. inermis) im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

119 006 011 001 hydropotes inermis zoo berlin PM(2)Chinesische Wasserrehe (Hydropotes i. inermis) im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

119 006 011 001 hydropotes inermis zoo berlin PM(3)Chinesische Wasserrehe (Hydropotes i. inermis) im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

119 006 011 001 hydropotes inermis TPB wDreier1Chinesisches Wasserreh (Hydropotes i. inermis) im Tierpark Berlin © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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Das in seiner asiatischen Heimat gefährdete Wasserreh ist zoopädagogisch interessant, weil die Böcke kein Geweih, sondern stark verlängerte Eckzähne haben und die Art in Europa angesiedelt worden ist. Es wird allerdings nicht häufig gehalten und war im deutschsprachigen Raum zeitweilig gar nicht mehr zu sehen.

Körperbau und Körperfunktionen

Das Wasserreh ist ein Sonderfall unter den Hirschen. Als einzige Art verfügt es über Inguinaldrüsen in der Leistengegend. Dagegen hat es keine Tarsal- oder Metatarsaldrüsen, die bei vielen anderen Hirscharten vorkommen, Voraugen- und Zwischenzehendrüsen sind aber vorhanden. Ferner trägt der Bock kein Geweih, sondern hat im Oberkiefer bis zu 8 cm lange Eckzähne mit scharfer Hinterkante. Auch bei den Ricken sind die Eckzähne verlängert, ragen aber nicht aus dem Maul heraus.

Mit einer Kopf-Rumpflänge von 89-103 cm, einer Schulterhöhe von 50-55 (45-57) kg und einem Gewicht von 11-17 kg ist es kleiner als unser Reh, dem es in Gestalt und Fellfarbe ähnelt. Der Rücken ist rund, der Körper hinten etwas überbaut, der Schwanz ist mit 6-7 cm sehr kurz, ein Spiegel ist nicht vorhanden. Der Nasenspiegel ist schwarz, die Haare um Nasenspitze und Lippen sind weiß. Das Fell ist dicht und rau. Die Ricken sind etwas schwerer als die Böcke. Sie haben vier Zitzen. Die Kitze sind gefleckt [1; 2; 6; 8].

Verbreitung

Ostasien: Ostchina, westlicher Küstenbereich von Nord- und Südkorea, Region Primorje in Russland. Eingeführte Populationen in England [3; 12].

Situation in Europa

Während des Zweiten Weltkriegs entwichen ein paar Wasserrehe aus der Haltung des Duke of Bedford in Woburn Abbey, und ab 1940 kam es zu weiteren absichtlichen oder unabsichtlichen Freisetzungen, aus denen sich lokale Populationen bildeten, so wurden z.B. 1950 Wasserrehe nördlich von Cambridge beim Woodwalton Fen National Nature Reserve angesiedelt. Heute hat das Wasserreh eine nicht-zusammenhängende Verbreitung, hauptsächlich  in den Grafschaften Bedfordshire, Cambridgeshire, Norfolk and Suffolk. Der wildlebende Bestand wird auf etwa 7'000 Tiere geschätzt, was etwa 40% des Weltbestands entspricht [10]. In Frankreich sind zwischen 1960 und 70 Wasserrehe aus dem Schlosspark von Ligoure südlich von Limoges entkommen oder wurden für jagdliche Zwecke ausgesetzt. Sie bildeten eine Population bildet, die sich während Jahren halten konnte, aber vor 2006 ausgestorben ist [11].

Lebensraum und Lebensweise

Wasserrehe besiedeln Sümpfe, Salzmarschen, offenes hohes Grasland mit Büschen und kleinen Bäumen und Kulturland (Reisfelder) entlang von Gewässern. Sie leben in der Regel einzeln, paarweise oder in Mutterfamilien. Die Böcke bilden feste Territorien von 20-50 ha, die sie markieren und mit ihren Hauern gegen gleichgeschlechtliche Artgenossen verteidigen [1; 3; 8].

Die Brunft fällt auf November-Januar. Nach einer Tragzeit von 170-210 Tagen werden von Mai-Juli die 600-1'000 g schweren Kitze geboren, meist 1-2, gelegentlich 3-4(-5). Die Jungen verlieren mit etwa 2 Monaten ihr Fleckenkleid, werden 2-3 Monate gesäugt und erreichen bereits mit 5-7 Monaten Geschlechtsreife [1; 4; 8].

Gefährdung und Schutz

Aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2014 wird die Art als gefährdet eingestuft, obwohl die Datenlage recht unsicher ist. Das Wasserreh ist nicht besonders anpassungsfähig und reagiert sensibel auf Störungen und Lebensraumveränderungen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Bestände um mindestens 30% über drei Generationen (ca 18 Jahre) abgenommen haben. Wilderei und die Zerstörung des Lebensraums durch Ausweitung der Agrar- und Siedlungsflächen sind die Hauptgründe für diesen Rückgang (Rote Liste: VULNERABLE) [3].

Der internationale Handel ist durch CITES nicht geregelt.

Bedeutung für den Menschen

Das Wasserreh wird in seinen Ursprungsländern legal und illegal zur Gewinnung von Fleisch und von Körperteilen für die traditionelle orientalische Medizin gejagt. Die halbverdaute Milch aus dem Magen von Kitzen wird als Heilmittel für Verdauungsstörungen bei Kindern verwendet. In England und Wales gibt es einen limitierten Markt für Jagdtourismus [3].

Haltung

Eine Freilaufhaltung im ganzen Zoo oder eine Haltung in großen, begehbaren Gehegen zusammen mit anderen Arten, z.B. Bennettwallabies, Maras, Muntjaks oder Neweltkameliden sowie Vögeln ist möglich und wird in verschiedenen französischen und englischen Zoos praktiziert (z.B. Branféré, Clères, Whipsnade). In konventionellen Gehegen mit Rückzugsmöglichkeit Vergesellschaftung mit Davidshirsch.

WEIGL gibt als Höchstalter für ein in Whipsnade geborenes und gehaltenes Tier 13 Jahre und 11 Monate an [7].

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in rund zehn Zoos gehalten, wobei der Haltungsschwerpunkt in Frankreich liegt. Nachdem das letzte Tier des Berliner Zoos 2024 das Zeitliche gesegnet hat, gibt es im deutschsprachigen Raum keine mehr. Für Details siehe Zootierliste.

Die freilebenden Wasserrehe in Ostengland gehen zurück auf Tiere, die der damalige Herzog von Bedford 1896 vom Londoner Zoo erworben bzw. später aus China importiert und auf seinem Gut Woburn Abbey freigelassen hatte. Von dort aus, sowie vom Wildpark in Whipsnade, sind Tiere teils entwichen, teils absichtlich ausgesetzt worden.

Forschung im Zoo: Wasserrehe sind gelegentlich Gegenstand von Forschungsarbeiten oder forschendem Lernen. So wurde z.B. im Rahmen einer Dissertation im Zoo Berlin das Verhalten im Vergleich zu anderen Kleinhirschen beobachtet [5].

Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll ein Paar ein Gehege von mindestens 80 m² mit einer zugfreien Schutzhütte zur Verfügung stehen. Für jedes weitere Tier kommen 10 m² zur Basisfläche dazu.

Das Gutachten besagt pauschal, dass Hirsche in Sozialverbänden leben. Dies trifft aber für das Wasserreh nicht zu. Dieses lebt solitär, allenfalls paarweise oder in kleinen Familiengruppen, wobei die Kitze höchstens 4-5 Monate bei der Mutter bleiben [5].

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 4 Tieren ein Gehege mit natürlichen oder künstlichen Unterständen, die allen Tieren gleichzeitig Platz bieten sowie u.a. mit Fegebäumen (?!) vor, dessen Grundfläche 150 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 10 m² zur Basisfläche dazu. Wird ein Stall angeboten, soll er eine Fläche von 3 m²/Tier haben.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) sind für 1-5 Tiere 120 m² erforderlich, für jedes weitere 12 m² mehr. Es müssen Unterstände als Witterungsschutz vorhanden sein, so dass alle Tiere gleichzeitig bei Bedarf Unterschlupf finden können.

Taxonomie und Nomenklatur

Das Wasserreh wurde 1870 von Robert SWINHOE, einem englischen Biologen, der auf Formosa (Taiwan) als Konsul amtete, unter seinem heute noch gültigen Namen beschrieben. Es werden zwei Unterarten anerkannt, das Chinesische Wasserreh (Hydropotes i. inermis) und das Koreanische Wasserreh (Hydropotes i. argyropus). Je nach Autor wird es als einzige Art in eine eigene Unterfamilie gestellt oder der Unterfamilie der Trughirsche (Capreolinae) zugeordnet [2; 8].

Literatur und Internetquellen

  1. GRIMMBERGER & RUDLOFF (2009)
  2. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  3. HARRIS, R.B. & DUCKWORTH, J.W. (2015). Hydropotes inermis. The IUCN Red List of Threatened Species 2015: e.T10329A22163569. http://www.iucnredlist.org/details/10329/0. Downloaded on 26 May 2018.
  4. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  5. SCHERPE, W-P. (1971)
  6. SMITH, A. T. & XIE, Y. (Hrsg., 2008)
  7. WEIGL, R. (2005)
  8. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  9. LONG, J. L. (2003)
  10. PUTMAN, R., DUNN, N., ZHANG, E., CHEN, M., MIQUEL, C. & SAVOLAINEN, V. (2020)
  11. CENTRE DE RESSOURCES ESPÈCES EXOTIQUES ENVAHISSANTES
  12. WILDLIFE ONLINE