Wisent

Flachlandwisent-Bulle (Bison b. bonasus) im Wildpark Springe
© Thomas Hennig, Wildpark Springe

Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Unterfamilie: Echte Rinder (Bovinae)
Tribus: Rinder i. e. S. (Bovini)

D NT 650

EEPWisent

Bison bonasus • The European Bison • Le bison d'Europe

119 009 001 002 bison bonasus cabarceno PD1Wisentbulle (Bison bonasus) im Fellwechsel im Parque de la Naturaleza, Cabarceno © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus distributionVerbreitung des Wisents (Bison bonasus) 2004

119 009 001 002 bison bonasus villiers PD1Wisentkuh (Bison bonasus) im Zoorama européen, Villiers-en-Bois © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus TPBerlin KRWisentbulle (Bison bonasus) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

119 009 001 002 bison bonasus badOrb PD1Wisentbulle (Bison bonasus) im Wildpark Bad Orb © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus bern PD(2)Wisentkuh (Bison bonasus) im Tierpark Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus bern PD(3)Wisente (Bison bonasus) im Tierpark Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus erlen PD1Wisentkuh (Bison bonasus) mit Kalb im Tierpark Lange Erlen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus springe flach PD1Flachlandwisente (Bison bonasus) im Wildpark Springe © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus springe kaukasus PD1Wisente der Kaukasus-Linie (Bison bonasus) im Wildpark Springe © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus bayerwald PDWisente (Bison bonasus) im Tierpark Bayerwald © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus bern PD(1)Wisentkuh (Bison bonasus) im Tierpark Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus chemnitzWisentkalb (Bison bonasus) im Tierpark Chemnitz © TP Chemnitz (Pressefoto)

Wisentbestand 2023Der Wisentbestand Ende 2023 und Vorjahr. Grafik: Thomas Hennig, Wildpark Springe

119 009 001 002 bison bonasus montpellier PD1Wisente (Bison bonasus) im Zoo Montpellier © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus ebeltoft PD1Junger Wisent (Bison bonasus) im Ree Park – Ebeltoft Safari, Jütland © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus bulle goldau presseWisentbulle (Bison bonasus) "Wumbro" im Natur- und Tierpark Goldau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus bruderhaus PD1Unterstand für Wisente (Bison bonasus) im Wildpark Bruderhaus, Winterthur © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus straubing PD1Gehege für Wisente (Bison bonasus) und Damwild (Dama dama) im Tiergarten Straubing © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus kingussie PD1Wisente (Bison bonasus) im Highland Wildlife Park, Kingussie, Schottland © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 001 002 bison bonasus kingussie PD2Wisente (Bison bonasus) im Highland Wildlife Park, Kingussie, Schottland © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

EUR-03 bialowieza wisent BSWisente (Bison bonasus) im natürlichen Lebensraum. Bialowieza-Nationalpark © Bernd Schildger, Tierpark Bern

119 009 001 002 bison bonasus altamiraJungpaläolithische Wisentdarstellung in der Höhle von Altamira, Kantabrien. Bild Public Domain

119 009 001 002 bison bonasus gesnerWisent aus Conrad Gesners Thierbuch, 1553

stamp ddr wisent tierparkBriefmarke mit Wisentmotiv., 25 Pf., DDR

 

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Der Wisent ist das größte noch lebende Wildtier Europas. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stand er kurz vor der Ausrottung, konnte aber durch gemeinsame Anstrengungen der Zoos und weniger Privathalter gerettet und später in verschiedenen Ländern wiederangesiedelt werden. Heute gibt es wieder über 8'000 Tiere, die zu einem Viertel in Zoos und Wildparks leben.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Wisent ist das größte noch lebende Wildtier Europas. Voll ausgewachsene Bullen des Flachlandwisents erreichen eine Kopf-Rumpflänge bis 350 cm, eine Schulterhöhe von 188 (-200) cm, eine Schwanzlänge bis 80 cm, eine Hornlänge bis 50 cm und ein Gewicht von 436-920(-1'000) kg. Bullen des Kaukasuswisents sind mit einer Schulterhöhe von rund 160 cm und einem Gewicht bis 700 kg deutlich kleiner.

Der breite und kurze Kopf der Wisente ist im Vergleich zum Körper eher klein, die Augen sind klein, die Ohren kurz. Der Hals ist kurz. Bedingt durch stark verlängerte Dornfortsätze der Brustwirbel ist der Widerrist hoch und die Rückenlinie fällt nach hinten ab. Ihre Hufe sind breiter als beim Amerikanischen Bison.

Das braun gefärbte Fell ist wollig. Es sind ein Stirnschopf, ein Kinnbart und eine Halsmähne vorhanden, die bei den Bullen stärker entwickelt sind aber längst nicht die Dimensionen aufweisen wie beim Bison. Auch an den Vorarmen auf der ganzen Länge des Schwanzes sind die Haare verlängert. Es besteht ein deutlicher Geschlechtsdimorphismus.

Kühe werden nur 320-640 kg schwer, ihr Buckel ist nicht so ausgeprägt und ihre Hörner sind kürzer, dünner und stärker gekrümmt. Die Bullen haben an der Penisvorhaut ein auffälliges Haarbüschel, die Kühe 2 Paar Zitzen [1; 2; 5; 6; 11].

Verbreitung

Wiederangesiedelte Populationen in Deutschland, Litauen, Polen, Rumänien, Russland, Slowakei, Ukraine, Weißrussland, außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets in Kirgistan [1; 7].

Lebensraum und Lebensweise

Der Wisent besiedelt Misch- und Laubwälder mit feuchten Lichtungen und gut ausgebildetem Unterholz, Wald-Wiesen-Mosaike und Waldsteppen. Die Höhenverbreitung reicht vom Meeresspiegel bis auf 2'100 m. Die Tiere sind tag- und nachtaktiv. Sie bilden Rudel von 5-40 Köpfen, die nebst Kühen mit ihrem Nachwuchs auch Bullen umfassen können. Ältere Bullen leben aber außerhalb der Brunftzeit oft allein oder in kleinen Gruppen von 3-4 Individuen. Im Winter können sich die Wisente zu größeren Herden zusammenschließen. Die Gruppen haben Streifgebiete von einigen wenigen bis zu 200 km² [1; 5; 11].

Wisente ernähren sich zu etwa zwei Dritteln von Gräsern, Seggen und Kräutern und zu einem Drittel von Knospen, Laub und Zweigen von Sträuchern und Bäumen, namentlich Birken, Eschen, Hagebuchen und Weiden. Auch Flechten und Moose werden gefressen. Saisonal kann Eichen- oder Buchenmast eine große Rolle spielen [1; 5; 11].

Die Brunft fällt in der Regel auf August-Oktober, die Abkalbezeit auf Mai-Juli. Nach einer Tragzeit von 276 (254-285) Tagen kommt in der Regel ein einzelnes Kalb mit einem Gewicht von ca. 20 (15-35) kg zur Welt, das während der ersten 3-4 Monate ein rotbraunes Jungendkleid trägt. Die Kälber werden bis zum 6., gelegentlich 9. Monat gesäugt. Kühe werden mit (2-)3 Jahren geschlechtsreif, Bullen zeigen ab dem 4. Lebensjahr eine voll entfaltete Spermatogenes, kommen aber meist erst mit 6 Jahren erstmals zur Fortpflanzung [1; 5; 8; 11].

Gefährdung und Schutz

Ab 1988 galt der Wisent als gefährdete Tierart (Rote Liste: VULNERABLE). 1996 wurde er als stark gefährdet eingestuft (ENDANGERED) und seit 2020 gilt er nur noch als potenziell gefährdet, weil sich die wiederangesiedelten Bestände in freier Wildbahn gut vermehrt haben. Es sind allerdings nach wie vor spezielle Schutzmaßnahmen erforderlich, weil nur wenige Wildbestände mehr als 150 Individuen umfassen und weil die genetische Bandbreite gering ist [7].

Die Art fällt nicht unter CITES. Sie ist geschützt nach Anhang III des Berner Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume, den Anhängen II und IV der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie).

Ausrottung und Wiederansiedlung

Bis in die Völkerwanderungszeit war die Art in Europa weit verbreitet. Mit der intensivierten Rodungstätigkeit ab dem Frühmittelalter wurde das Areal des Wisents rasch auf die vom Menschen dünner besiedelten Gebiete Osteuropas eingeengt. Um 400 n.Chr. wird der Wisent noch in den Pyrenäen erwähnt. Im 6. Jahrhundert war er in Frankreich schon so selten, dass die Jagd den Frankenkönigen vorbehalten blieb. Im 11. Jahrhundert starb er in England aus [3].

Im Süden des deutschen Sprachgebiets kam die Art bis ins 11. Jahrhundert vor, wie die "Benedictiones ad Mensas" des Klosters Sankt Gallen und der Ortsname "Wiesendangen" (Kanton Zürich), ursprünglich "Wisuntwang" - Wisent-Aue - bezeugen [4]. Bis 1200 finden wir den Wisent noch in Bayern und Österreich, aber zu Beginn der Neuzeit gab es ihn nur noch in Polen, Siebenbürgen und im Herzogtum Preußen, wo zwischen 1729 und 1742 noch 42 Wisente erlegt oder für Hetztheater eingefangen wurden. Die letzten preußischen Wisente lebten in den Wäldern bei Labiau und Tilsit. Hier fiel das letzte Tier 1755 einem Wilderer zum Opfer. In Sachsen, wohin einige Wisente als Staatsgeschenke gelangt waren, gab es dann den letzten Bestand auf deutschem Boden, der 1793 erlosch [3].

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts existierten in Europa noch zwei freilebende Wisentpopulationen: Der Flachlandwisent im Urwald von Bialowieza an der polnisch-weißrussischen Grenze und der Kaukasuswisent. Vom Flachlandwisent gab es bei Ausbruch des 1. Weltkriegs 737 Tiere. Der Bestand litt stark während der Kriegswirren, und als die Deutschen 1916 die Verwaltung des Bialowieza-Waldes übernahmen, waren nur 150 Tiere übrig. Dank strengem Schutz wuchs der Bestand bis 1918 wieder auf 200 Tiere an. Währen der letzten Kriegstage erschossen jedoch die auf dem Rückzug befindlichen deutschen Truppen alle Wisente bis auf 20 Stück, die anschließend polnischen Wilderern zum Opfer fielen. Am 9. Februar 1921 wurde der letzte freilebende Flachlandwisent getötet [2; 5; 6].

Im Kaukasus wurde der Wisent von bolschewistischen Revolutionären verfolgt, weil er als ein Symbol der Aristokratie galt. 1925 wurde der letzte Kaukasuswisent getötet und damit war die Art in freier Wildbahn ausgestorben. Zum Glück hatten einige Wisente in menschlicher Obhut überlebt. Der damalige Direktor des Frankfurter Zoos, Dr. Kurt Priemel, erstellte ein Inventar der Überlebenden und hatte mit Stichtag 15. Oktober 1922 56 Tiere (27 Bullen und 29 Kühe) registriert, die auf 12 Gründertiere zurückgingen. Vom 25.-26. August 1923 fand dann in Berlin eine Tagung aller Wisenthalter statt, an der die “Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents” gegründet wurde. Kurt Priemel wurde zum ersten Präsidenten gewählt und der Direktor des Tierparks Hellabrunn, Heinz Heck, übernahm die Funktion des Zuchtbuchführers [2; 5, 6].

Das erste Internationale Zuchtbuch wurde 1932 veröffentlicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der dem Wisentbestand arg zugesetzt hatte, nahmen Dr. Jan Zabinski vom Warschauer Zoo und Dr. Erna Mohr vom Zoologischen Museum Hamburg die Arbeit am Zuchtbuch wieder auf, das dann der Schirmherrschaft des Internationalen Zoodirektorenverbandes (heute WAZA) unterstellt wurde. 1951 gab es wieder 135 Wisente, davon 65 in Polen, 22 in der Sowjetunion, 24 in drei Haltungen in Schweden und 24 in sechs anderen europäischen Institutionen. 1956 erfolgte die erste Wiederansiedlung im Bialowieski Nationalpark. Ein Jahr später wurde die halbwilde Herde auf dem Damerower Werder in Mecklenburg gegründet. 1974 überschritt der Wisentbestand die Marke von 1500 Tieren. 25 % der Wisente lebten in Zoos, 30 % in Wildgattern 45 % in freier Wildbahn [5; 6; 7].

Für 2007 wies das Internationale Zuchtbuch 1817 reine Flachlandwisente und 1993 Tiere der Kaukasus-Flachland-Linie aus. Davon lebten 1443 Tiere in Gehegen und 2367 in 31 wildlebenden und 4 halbfreien Herden. Bis 2019 war die Zahl der Gehegetiere auf 1'738 gestiegen, dijenige der halbwilden auf 479 und die der wildlebenden auf 6'244. Ende 2023 waren es 1710 Gehegetiere, 658 halbwilde und 8812 wildlebende, gesamthaft also 11'180 Individuen. Die größten wilden Bestände leben in Polen und Weißrussland [7].

Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):

In verschiedenen europäischen Ländern leben Wisente in halbwilden, großflächig eingezäunten Herden, zum Teil mit der Absicht, sie ganz auszuwildern. Bei diesen Projekten geht es zum Teil um die Erhaltung des Wisents als Art, zum Teil aber auch um Landschaftspflege oder Tourismusförderung [12].

  • In Deutschland gibt es mittlerweile einige Großgehege, in denen Wisente quasi unter Freilandbedingungen leben. So lieferte z.B. im Dezember 2005 der Tierpark Berlin zwei Wisente für ein 1000 ha großes Gatter im Arenberger Leonorenwald (Niedersachsen). Auch im Naturschutzgebiet Cuxhavener Küstenheiden werden aus Zoo und Tierpark Berlin stammende Wisente in einem Großgatter gehalten. Der Zoo Berlin und der Wildpark Springe haben Wisente für die 2'000 ha große Naturlandschaft Döberitzer Heide in Brandenburg zur Verfügung gestellt  [Pressemitteilungen von Zoos und andere Quellen].

  • Eine turbulente Geschichte hat das (Stand Januar 2025)  vorerst gescheiterte Projekt "Wisente im Rothaargebirge". Das vom vom inzwischen verstorbenen Prinz Richard zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg angestoßene Projekt startete 2010. Im Rahmen des Projekts wurde ein Schaugatter und ein Auswilderungsgatter erstellt, die mit Tieren aus verschiedenen Haltungen, darunter dem Zoo Rostock, bestückt wurden. Die Auswilderungskomponente wurde u.a. vom Bundesamt für Naturschutz gefördert und das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet. Nachdem im April 2013 ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Kreis Siegen-Wittgenstein, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen, dem Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein e. V. und Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg abeschlossen wurde, wurden in den Sayn-Wittgensteinischen Waldungen Wisente ausgewildert mit dem Ziel, eine wildlebende Herde von bis zu 25 Tieren zu schaffen. Im Lauf der Zeit kam es zu Problemen, weil sich die freilaufende Herde auf 40 Exemplare vermehrte und die Wisente ihren Aktionsradius verlagerten und in Privatwäldern Schälschäden anrichteten, die sich auf mehrere 100'000 € beliefen. Es kam zu langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es einerseits um den legalen Status der Tiere, andererseits um Entschädigungsforderungen und -pflichten ging, und als deren Folge der Trägerverein 2023 Insolvenz anmeldete. Im Februar 2024 wurde die freilaufende Herde in ein neu erstelltes Management-Gatter verbracht, wo der Bestand durch die Abgabe von Tieren auf 25 reduziert werden sollte. mehr (bis 15.03.2026) ...

    Das Schaugatter hat sich zu einem touristischen Anziehungspunkt mit etwa 40'000 Besuchern pro Jahr entwickelt und wird als "Wisent-Wildnis am Rothaarsteig" von einer gGmbh betrieben.

  • Im Solothurner Thal soll mitteles einer gut überwachten und betreuten, zunächst eingezäunten und später freilebenden Test-Herde aus 5 bis maximal 25 Tieren während ca. 10 Jahren überprüft werden, ob Wisente als Wildtiere im Jura leben können und ob sie tragbar sind. Die wissenschaftliche Begleitforschung untersucht Nahrungswahl, Verhalten der Herde gegenüber Menschen, Vieh und Einrichtungen aller Art. Allfällige Wildschäden oder Mehraufwände werden systematisch dokumentiert und den Betroffenen abgegolten. Während der ersten zwei Jahre wurde die Wisent-Test-Herde in einem 51 ha grossen Gehege gehalten, um sie an die Juralandschaft zu gewöhnen. Danach wurde das Gehege für drei Jahre auf 106 ha erweitert. In der folgenden Phase III werden die Zäune abgebaut. Dann kann sich die Herde in einem definierten Gebiet von rund 7 km2 Grösse auch in den angrenzenden Wäldern der ersten Jurakette aufhalten, das sie nur schwer verlassen kann. Im September 2022 trafen die ersten fünf Wisente aus dem Wildpark Langenberg ein und wurden für einige Wochen in ein 3 ha großes Eingewöhnungsgehege gesetzt. Im Juli 2023 wurden die ersten beiden Kälber geboren. Das Projekt wird vom Verein Wisent im Thal getragen, der mit verwandten Projekten in Europa und mit den lokalen Interessenvertretern gut vernetzt ist. Die Gesamtkosten für 10 Jahre betragen ca. 3.9 Millionen CHF, von denen rund 1.5 Millionen durch geführte Exkursionen sowie durch den Verkauf von Artikeln und Mitgliedschaften beim Verein Freunde Wisent Thal erwirtschaftet werden können. mehr ...

  • Im Juni 2022 wurden zwei Wisentkühe aus dem irischen Fota Wildlife Park und eine weitere aus dem schottischen Highland Wildlife Park im West Blean Woods Nature Reserve, einem der größten alten Waldgebiete im Vereinigten Königreich in der Grafschaft Kent ausgewildert. Bereits im September 2022 wurde das erste Kalb geboren [Pressemitteilung des Fota Wildlife Parks und https://wildwoodtrust.org/wilder-blean].

  • Wiederansiedlungen mit Zoobeteiligung in Osteuropa (Ergänzungsblatt)

Haltung

Wisent und Bison lassen sich problemlos kreuzen. In den ersten Jahren des Erhaltungzuchtprogramms wurde versucht, den Wisentbestand durch den Einsatz von Bisonkühen in einer Verdrängungszucht zu erhöhen. Glücklicherweise wurden diese Bestrebungen aufgegeben, sobald ausreichend reinblütige Tiere verfügbar waren. Heute gibt es nur noch zwei freilebende Hybridpopulationen im Zentralteil des Kaukasusmassivs, die auf 1.4 Mischlinge aus Askania Nova zurückgehen, deren Wisent-Blutanteil durch Zuführung von Wisentbullen der Kaukasuslinie erhöht wurde.

Erste Kreuzungsversuche von Wisent und Hausrind wurden von 1847 bis 1859 im damaligen Ostpolen (heute Weißrussland) mit dem Ziel unternommen, starke Zugrinder zu züchten. Von 1958-1976 wurde in Bialowieza eine Hybridzucht Wisent-Hausrind betrieben, um verschiedene wissenschaftliche Fragen zu klären. Die Hybriden erwiesen sich als größer als die Ausgangstiere, der schwerste Bulle erreichte ein Gewicht von 1'030 kg, die schwerste Kuh von 880 kg. Es zeigte sich auch, dass männliche Tiere der F1-Generation unfruchtbar waren. Weibliche Tiere mussten also für weitere Generationen mit einer der Ausgangsarten verpaart werden. Je nach eingesetzter Hausrindrasse war das Aussehen der Hybriden sehr unterschiedlich [5].

Eine Gemeinschaftshaltung mit anderen Arten wie Wildpferden, Wildschweinen, Dam- oder Rothirschen ist in größeren Gehegen möglich und wird gelegentlich praktiziert.

Die von WEIGL angegebenen Höchstalter im Zoo liegen für Kühe bei über 26 Jahren [10]. Im Dezember 2021 musste der zu jenem Zeitpunkt älteste Wisentbulle Europas mit 22 Jahren von seinen Altersbeschwerden erlöst werden. Er hatte im Natur- und Tierpark Goldau gelebt und sieben seiner Nachkommen gingen an Wiederansiedlungsprojekte in Polen, Rumänien und der Slowakei [9].

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in rund 190 Zoos gehalten, von denen sich etwa 80 im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste.

Seit 1995 gibt es ein Europäisches Zuchtprogramm (EEP), das seit 2023 vom Jersey Zoo koordiniert wird. 2019 umfasste das Programm 539 Tiere, rund 8% der europäischen Population. Beim Deutschen Wildgehegeverband (DWV) gibt es ebenfalls ein Zuchtprogramm für den Wisent, in dessen Rahmen die Mehrzahl der Bestände in Deutschland gemanagt werden. Es wird am Wildpark Springe koordiniert.

Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll für bis zu 5 Tiere ein Gehege von 400 m², für jedes weitere Tier 30 m² mehr, sowie eine einfache Schutzhütte vorhanden sein.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 5 Tieren ein Gehege mit natürlichen oder künstlichen Unterständen, die allen Tieren gleichzeitig Platz bieten vor, dessen Grundfläche 500 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 80 m² zur Basisflächen dazu.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) sind für 1-5 Tiere 800 m² erforderlich, für jedes weitere 80 m² mehr, ferner ein geeigneter Unterstand zum Schutz gegen Witterungsverhältnisse, wie Regen, Schnee, Wind, Sonneneinstrahlung und Hitze. Die Tiere sind paarweise, in Familiengruppen oder Herden zu halten.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Wisent wurde 1758 von Carl von LINNÉ als Bos bonasus erstmals wissenschaftlich beschrieben. Der englische Oberstleutnant Charles Hamilton SMITH, ein wissenschaftlicher Illustrator und autodidaktischer Naturforscher, führte 1827 die Gattungsbezeichnung Bison ein. Diese wird heute noch sehr oft verwendet (z. B. in der Roten Liste der IUCN), obwohl in der jüngsten Taxonomie die Bisons wieder in die Gattung Bos eingegliedert wurde, womit Bison noch den Status einer Untergattung hätte. Es werden zwei Unterarten differenziert: der Flachlandwisent (B. b. bonasus) und der in reiner Form ausgestorbene Kaukasuswisent (B. b. caucasicus) [1; 2; 6; 7; 11].

119 009 001 002 bison bonasus paar springe tHennigFlachland-Kaukasuswisent-Paar (Bison bonasus beim Sprung im Wildpark Springe © Thomas Hennig, Wildpark Springe

 

Literatur und Internetquellen

  1. GRIMMBERGER & RUDLOFF (2009)
  2. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  3. HAUSMANN, R. & ZENTNER, F. (2008)
  4. KLEINLOGEL, Y. (2009)
  5. KRASINSKA, M. & KRASINSKI, Z. A. (2008)
  6. MOHR, E. (1952)
  7. PLUMB, G., KOWALCZYK, R. & HERNANDEZ-BLANCO, J.A. (2020). Bison bonasus. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T2814A45156279. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-3.RLTS.T2814A45156279.en . Downloaded on 17 December 2020.
  8. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  9. NATUR- UND TIERPARK GOLDAU - PM vom 14.12.2021
  10. WEIGL, R. (2005)
  11. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  12. KLEINLOGEL, Y. (2008)