Malaienbär (Helarctos malayanus) im Kölner Zoo
© Rolf Schlosser - Kölner Zoo
Überordnung: LAURASIATHERIA
Ordnung: Raubtiere (CARNIVORA)
Taxon ohne Rang: Landraubtiere (FISSIPEDIA)
Unterordnung: Hundeartige (Caniformia)
Familie: Bären (Ursidae)
Unterfamilie: Eigentliche Bären (Ursinae)
Malaienbär
Helarctos malayanus • The Malayan Sun Bear • L'ours des cocotiers ou ours malais
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der gefährdete Malaienbär ist der kleinste aller Bären. Seine kleine gedrungene Gestalt brachte ihm in Thailand den Spitznamen “Hundebär” ein, während er ihn Malaysia und Indonesien aufgrund seiner Vorliebe für die Nester wilder Bienen “Beruang Madu", Honigbär, genannt wird. Mit seinem sorgenvoll wirkenden Gesicht wirkt er nicht gerade motivierend, was vielleicht der Grund dafür ist, dass diese ansonsten interessante Art sich nur bedingt als Botschafter für Naturschutzprojekte in Südostasien eignet und nur selten in europäischen Zoos zu sehen ist. Körperbau und KörperfunktionenDer Malaienbär ist der deutlich kleinste Vertreter seiner Familie. Seine Kopf-Rumpflänge beträgt 100-140(-150) cm, die Schulterhöhe etwa 70 cm, die Schwanzlänge 3-7 cm. Das Gewicht variiert von 27-65(-80) kg. Männchen sind etwas schwerer als Weibchen, aber der Sexualdimorphismus ist nicht so markant wie bei anderen Bären [2; 19]. BREHM beschreibt den Malaienbären als einen "von den bisher erwähnten Arten der Familie merklich abweichenden, zwar gestreckt, aber doch plump gebauten, dickköpfigen Bär, mit breiter Schnauze, kleinen Ohren, sehr kleinen blöden Augen, verhältnismäßig ungeheueren Tatzen, langen und starken Krallen und kurzhaarigem Fell" [1]. Die Kopfhaut des Malaienbären ist faltig, was ihm einen sorgenvollen Ausdruck verleiht. Das kurze schwarze, dichte und glänzende Fell ist nicht einmal einen Zentimeter lang. Auf der Brust hat er eine helle, meist halbmond-, bisweilen kreisrunde Zeichnung. Er hat einen für seine Statur auffällig breiten Kopf, eine kurze Schnauze und einen recht kräftigen Kiefer Mit Hilfe seiner großen, gebogenen Klauen und der kurzen O-Beine kann er hervorragend auf Bäume klettern. Seine Fußsohlen sind nicht behaart. Die Zunge ist sehr beweglich und lang und kann bei der Nahrungsaufnahme auf bis zu 20 bis 25 Zentimeter herausgestreckt werden [2; 6]. VerbreitungSüdostasien: Helarctos malayanus malayanus: Bangladesch, Kambodscha, China (marginal im Süden); Indien (nur im Osten), Indonesien (Sumatra), Laos, Malaysia, Myanmar, Thailand, Vietnam. Gebietsweise (z.B. in Laos) kommen Malaien- und Kragenbär sympatrisch vor. Lebensraum und LebensweiseMalaienbären besiedeln immergrüne und laubabwerfende Wälder, vorzugsweise im Tiefland, gehen aber im Gebirge bis auf eine Höhe von 2'100 m. Ihre Lebensraumansprüche decken sich weitgehend mit denen der in derselben Region lebenden Kragenbären [14; 19]. Aufgrund des bisherigen, sehr geringem Wissens über den Malaienbären, das auf Zoobeobachtungen und gelegentlichen, zufälligen Freilandbeobachtungen basiert, erscheint es möglich, dass sich der Malaienbär in seiner sozialen Organisation von der der anderen Bären unterscheidet, indem er nicht stets solitär oder in temporären Mutter-Familien lebt, sondern dass Paare längere Zeit zusammenleben und gemeinsam ihren Nachwuchs verteidigen [15]. An reichhaltigen Futterplätzen wurde auch schon beobachtet, dass sich Malaienbären zu Gruppen zusammenfinden. Abhängig von der Störung durch den Menschen sind die Bären tagsüber oder während der Nacht aktiv. Zum Schlafen bauen sie Baumnester. Über die Größe der Streifgebiete ist wenig bekannt, sie scheinen eher klein zu sein [19]. Malaienbären sind Allesfresser. Das Nahrungsspektrum umfasst über 100 Insektenarten, namentlich Termiten, Ameisen, Käfer und Bienen sowie deren Honig, gelegentlich kleinere Wirbeltiere, Vogeleier, viele Feigen und andere Früchte, Beeren, Nüsse, Palmenherzen und weiteres Pflanzenmaterial. Nicht selten plündern sie landwirtschaftliche Kulturen, wo sie sich z.B. an Mais, Sesam, Kürbissen, Gurken, Bananen, Citrusfrüchten, Äpfeln, Kokosnüssen, Jackfrüchten, Salak-Palmfrüchten oder Durian gütlich tun. Der Malaienbär gehört zu den wenigen Tierarten, welche die bis zu 4 cm langen Samen der bei der einheimischen Bevölkerung beliebten Stinkfrucht (Durian, Zibetbaum, Durio zibethinus) unzerkaut verschlucken und unverdaut wieder ausscheiden. Von der dadurch geförderten Verbreitung des Durian profitieren auch die Orangutans [8; 19]. Malaienbären machen keine Winterruhe. Sie haben auch keine feste Paarungszeit und ihre Jungen können während des ganzen Jahres anfallen. Die Weibchen haben vier Zitzen, gebären aber in der Regel nur ein Junges, selten Zwillinge, mit einem Geburtsgewicht von 255-325 g. Die Trächtigkeit dauert normalerweise 3-3.5 Monate, nur selten 6-8 Monate, was darauf hindeitet, dass die Keimruhe meist nur kurz ist. Die Geburt findet in einem abgeschiedenen Bau statt. Mit 30-40 Tagen öffnen die Jungen die Augen, mit 61-65 Tagen unternehmen sie erste Gehversuche und mit 85-95 Tagen nehmen sie erstmals feste Nahrung zu sich. Kleine Jungtiere werden von der Mutter im Maul transportiert, ältere mit den Vorderpfoten gegriffen und auf zwei Beinen laufend in Sicherheit gebracht [8; 19]. Gefährdung und SchutzKonkrete Bestandstrends gibt es nicht. Dazu wären systematische Untersuchungen notwendig, wie sie z.B. in Laos durchgeführt wurden, andernorts aber noch fehlen. Aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2016 gilt der Malaienbär als gefährdete Tierart (Rote Liste: VULNERABLE), hauptsächlich durch Verlust des Lebensraums, d.h. das Abholzen des Tropenwaldes in Südostasien, ferner durch illegale Jagd z.B. mittels Fangzäunen mit Schlingen. Obwohl keine verlässlichen Zahlen vorliegen, wird angenommen, dass der Gesamtbestand innerhalb der letzten 30 Jahre um über 30% abgenommen hat und dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren verstärken wird [13; 14]. Der internationale Handel ist seit 1979 durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Zoogestütztes Artenschutzprojekt (Beispiel):
Bedeutung für den MenschenAuch heute noch werden junge Malaienbäre häufig als Heimtiere gefangen. Der nachfolgende Bericht Alfred BREHMs über eine Heimtierhaltung im 19. Jahrhundert ist amüsant, aber nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen: "Man sagt, daß er in Indien oft gefangen gehalten werde, weil man ihn, als einen gutmüthigen harmlosen Gesellen, selbst Kindern zum Spielgenossen geben und nach Belieben in Haus, Hof und Garten umherstreifen lassen dürfe. RAFFLES, welcher einen dieser Bären besaß, durfte ihm den Aufenthalt in der Kinderstube gestatten und war niemals genöthigt, ihn durch Anlegen an die Kette oder durch Schläge zu bestrafen. Mehr als einmal kam er ganz artig an den Tisch und bat sich etwas zu fressen aus. Dabei zeigte er sich als ein echter Gutschmecker, da er von den Früchten bloß Mango verzehren und nur Schaumwein trinken wollte. Der Wein hatte für ihn einen unendlichen Reiz, und wenn er eine Zeitlang sein Lieblingsgetränk vermissen mußte, schien er die gute Laune zu verlieren. Aber dieses vortreffliche Thier verdiente auch ein Glas Wein. Es wurde im ganzen Hause geliebt und geehrt und betrug sich in jeder Hinsicht musterhaft; denn es that nicht einmal dem kleinsten Thiere etwas zu Leide. Mehr als einmal nahm es sein Futter mit dem Hunde, der Katze und dem kleinen Papagei aus einem und demselben Gefäße." [1] Wirtschaftliche Bedeutung: Malaienbären werden zur Gewinnung ihrer Tatzen, die als Delikatesse gelten, oder ihrer Galle für die Zwecke der traditionellen chinesischen Medizin illegal gejagt, wobei der Handel mit diesen Körperteilen trotz Verboten immer noch floriert, weil er ein sehr einträgliches Geschäft ist [14]. Der legale internationale Handel mit Teilen und Erzeugnissen ist sehr limitiert, weil die Art set 1979 unter CITES-Anhang I fällt. Rückschlüsse auf die Zahl der betroffenen Individuen lassen sich aus der Statistik nicht ziehen. Von 1977-2017 wurde im Rahmen von CITES die Ausfuhr von 92 lebenden Wildfängen registriert, von denen 36 aus Malaysia kamen. Im selben Zeitraum wurden 99 Nachzuchttiere international verschoben, wovon 24 aus Malaysia, 14 aus China und 12 aus den USA stammten [3; 14]. Haltung im ZooIm Zoo galten Malaienbären lange als nicht züchtbar. Durch bessere Unterbringung, Gehegegestaltung und Ernährung hat dies aber geändert. 1940 gelang dem Zoo von San Diego die Erstzucht. In Europa, konnte der Tierpark Berlin 1961 die erste Malaienbärengeburt verzeichnen. Hier entwickelte sich in der Folge eine äußerst erfolgreiche Zucht: Am 8. April 2011 kam der 50. Malaienbär zur Welt, ein Weibchen, dessen Eltern auch schon im Tierpark geboren waren [PM Tierpark Berlin]. Malaienbären können im Zoo ein Alter von über 35 Jahren erreichen [17]. Haltung in europäischen Zoos: Das Europäische Zuchtbuch (ESB, seit 1994) wurde bis 2017 am Kölner Zoo und wird gegenwärtig am Colchester Zoo geführt. 2023 wurde es in ein "New Style EEP" umgewandelt. Die Bärenspezialisten-Gruppe der EAZA hat Empfehlungen für Bau und Gestaltung neuer, die sinnvolle Verwendung alter Anlagen sowie den Einsatz von Programmen zur Umweltanreicherung herausgegeben [7; 16]. Musterbeispiele für geglückte Anpassungen ehemaliger "Betonarien" sind die Malaienbärenanlage in Basel und Münster. Seit 2019 gibt es auch ein Internationales Zuchtbuch (ISB), das am Zoo von Perth geführt wird. Forschung im Zoo: Malaienbären sind beliebte Studienobjekte für Doktor-, Diplom- und Examensarbeiten. Dabei kann es um Grundlagenforschung gehen, etwa zur Anatomie, Ontogenese, Physiologie oder Ethologie, aber auch um die Prüfung und gegebenenfalls Optimierung der Haltungsbedingungen und somit zur Erhöhung des Tierwohls, wie etwa zur Gruppenzusammensetzung, Umweltanreicherung, Neugestaltung von Anlagen, Fütterung oder Krankheitsgeschehen und tierärztliche Maßnahmen [4; 6; 9; 10; 11; 12; 13; 18]. Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten’96 sah für ein Außengehege für zwei Malaienbären 60 m² und für jedes weitere Tier zusätzlich 10 m² vor. Das war zweifellos anpassungsbedürftig. Allerdings sollten sich die Maße für die Grundeinheit eines Geheges auf ein Einzeltier beziehen und nicht, wie im Säugetiergutachten 2014 des BMEL auf zwei Tiere. Weil Bären im Prinzip solitär lebende Tiere sind, ist die Einzelhaltung in vielen Fällen mit weniger Stress verbunden als die Gruppenhaltung. Für bestehende Anlagen wäre demnach eine Fläche von 100 m² für jedes Tier zu fordern. Da sich an der Situation, dass Malaienbären ausschließlich in EAZA Zoos gehalten werden, kaum etwas ändern wird, ist davon auszugehen, dass sich Neuanlagen hinsichtlich Dimensionen und Ausstattung an den umfangreichen Empfehlungen der EAZA orientieren werden. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für 1-2 Malaienbären eine Landfläche von 100 m² und eine Schlafbox von 4 m² pro Tier vor. Ein Badebecken wird nicht gefordert. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) ist für 1-2 Tiere ein Gehege von 300 m² ohne Wasserbecken und ist pro Tier eine Schlafbox von 8 m² erforderlich. Taxonomie und NomenklaturDer Malaienbär wurde 1820 von dem englischen Forscher und Staatsmann Sir Thomas Stamford Bingley RAFFLES im Rahmen eines Vortrags als "Ursus malayanus" beschrieben. Die schriftliche Beschreibung erfolgte 1822. 1825 stellte der amerikanische Arzt und Naturforscher die Art in die monospezifische Gattung Helarctos. Es werden zwei Unterarten unterschieden, H. m. euryspilus aus Borneo und die Nominatform aus dem ganzen übrigen Verbreitungsgebiet [1; 4; 14].
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Literatur und Internetquellen
- BREHM, A. E. (1882-1887)
- CITES IDENTIFICATION MANUAL
- CITES TRADE DATA BASE
- DIETERMANN, A. (1996)
- FELLENDORF, S. (2012)
- HARTMANN, D. (2004)
- KOLTER, L., KAMPHORST, N.F. & RUVEN, S.A.W. (2007)
- PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
- RIESE, R. (2001)
- SCHLOTZ, M. (2014)
- SCHNEIDER, M. (2004)
- SCHNEIDER, M. (2015)
- SCOTSON, L. (2013)
- SCOTSON, L. et al. (2017). Helarctos malayanus. The IUCN Red List of Threatened Species 2017: e.T9760A45033547. http://www.iucnredlist.org/details/9760/0. Downloaded on 21 June 2018.
- STEFFEN, M. (1996)
- USHER SMITH, J. & KOLTER, L. (2007)
- WEIGL, R. (2005)
- WELTER, M. (2010)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)