Tümmlermutter (Tursiops truncatus) mit einem von drei im Jahr 2011 im Zoo Duisburg geborenen Kälbern
© Zoo Duisburg (Pressefoto)
Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Wale (Cetacea)
Unterordnung: Zahnwale (Odontoceti)
Familie: Delfine (Delphinidae)
Unterfamilie: Eigentliche Delfine (Delphininae)
Großer Tümmler
Tursiops truncatus • The Bottlenose Dolphin • Le grand dauphin
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Die im Freiland nicht gefährdeten Großen Tümmler sind die am häufigsten in Menschenobhut gehaltenen Cetaceen. Sie sind ausgesprochen ansprechende Tiere, was mit ihrem scheinbar lächelnden Gesichtsausdruck zusammenhängt, und daher exzellente Botschafter für den Meeresschutz. Andererseits besteht ein erheblicher Druck seitens von Tierrechts- und zum Teil auch von Tierschutzorganisationen, die gut davon leben, dass sie ständig fordern, die Haltung dieser Art sei aufzugeben. Die ins Feld geführten Argumente sind emotionsgeladen und halten einer kritischen Überprüfung nicht stand, verfehlen aber nicht ihre Wirkung bei manchen Politikern, Medienschaffenden oder Reisebüros. Körperbau und KörperfunktionenGroße Tümmler erreichen eine Gesamtlänge von 190-380 cm und ein Gewicht von 136-635 kg. Neugeborene sind etwa 140 cm lang und 30 kg schwer. Die Schnauze bildet einen eher kurzen, massiven Schnabel (daher der englische Name "bottle-nose"), der durch eine deutliche Falte von der über dem Oberkiefer liegenden Melone abgesetzt ist. Die Rückenflosse sitzt auf der Mitte des Rückens. Sie ist relativ groß und mäßig sichelförmig. Die Färbung ist oberseits grau, unterseits heller, wobei regionale Unterschiede bestehen [21]. VerbreitungGroße Tümmler besiedeln alle Meere der gemäßigten, subtropischen und tropischen Zonen, wobei sich die Verbreitung des Atlantischen Tümmlers mit der des Indo-Pazifischen überlappt. Die Schwarzmeerpopulation ist eine besondere Unterart (Tursiops truncatus ponticus), von der es nur einige tausend Tiere gibt [9]. Lebensraum und LebensweiseGroße Tümmler sind wohl die anpassungsfähigsten aller Delfine. Sie leben sowohl im Tief- als auch im Flachwasser, häufig auch in Buchten und Lagunen, Mündungsdeltas, Ästuarien oder Naturhäfen und tolerieren Wassertemperaturen von 10 bis über 30°C. Es werden zwei Hauptformen des Großen Tümmlers unterschieden, eine größere Hochsee- und eine deutlich kleinere Küstenform. Die Hochseeform lebt ebenso wie die meisten anderen Delfinarten in großen Gruppen (sogenannten Schulen) in den offenen Weltmeeren. Die Küstenform hingegen lebt in kleinen Gruppen fast ausschließlich in flachen Küstengewässern oder Lagunen und schwimmt nur ausnahmsweise hinaus ins offene Meer. Große Tümmler sind opportunistische Jäger, die beim Beutefang oft zusammenarbeiten. Sie fressen viele Fischarten, wobei Umberfische (Sciaenidae), Makrelen (Scombridae) und Meeräschen (Mugilidae) bevorzugt werden, ferner Kalmare und andere Kopffüßer sowie Krebstiere. Hochseetümmler tauchen beim Jagen bis zu 5 Minuten lang und 500 m tief. Küstentümmler tauchen alle 30 Sekunden wieder auf. Jungtiere können während des ganzen Jahres anfallen. Die Trächtigkeit dauert etwa 12 Monate, die Kälber werden mit 1.5-2 Jahren entwöhnt, die Geburtsintervalle liegen bei 3-6 Jahren. Kühe werden mit 5-14 Jahren geschlechtsreif, Bullen mit 9-14 Jahren [9; 21]. Gefährdung und SchutzDer Große Tümmler hat eine sehr weite Verbreitung und einen Bestand von mindestens 600'000 Individuen. Er gilt daher nicht als gefährdet (Rote Liste: LEAST CONCERN) [8]. Der internationale Handel ist unter CITES Anhang II geregelt. Der Tümmler fällt unter die Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie (92/43/EWG). Die Populationen der Timor- und Arafura-See (T. aduncus) sowie der Nord- und Ostsee, des Mittelmeers und des Schwarzen Meers fallen auch unter Anhang II des Bonner Übereinkommens über wandernde Tierarten, in dessen Rahmen ein spezielles Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale der Nord- und Ostsee, des Nordostatlantiks und der Irischen See (ASCOBANS) abgeschlossen wurde. Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):
Bedeutung für den MenschenWirtschaftliche Bedeutung: Gebietsweise werden Große Tümmler wegen ihres Fleischs als Nahrungsmittel oder als Köder für den Fischfang gejagt. Über den Umfang dieser Entnahmen ist wenig bekannt.Auf den Färöern wurden nach IUCN im Mittel einiger Jahre 308, in Japan 594 getötet. Die von Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen kolportierten höheren Zahlen über den japanischen Delfinfang betreffen nicht nur Tümmler, sondern schließen mindestens 8 weitere Arten mit ein. Lebende Tiere für Delfinarien oder militärische Zwecke wurden vor allem in den USA, Mexiko, den Bahamas, Kuba, China, Japan und der Sowjetunion bzw. Russland gefangen [9]. Von 2001-2017 wurde weltweit der Export von 1304 als Tursiops truncatus und 206 als Tursiops aduncus deklarierten Wildfängen registriert. Wichtigste Ausfuhrländer waren Japan mit 821, Kuba mit 283 und die Salomonen mit 152 Tieren. Im selben Zeitraum wurden 172 Nachzuchttiere von Tursiops truncatus und 140 von Tursiops aduncus international verschoben, wobei man vielleicht hinter die 75 von den Salomonen exportierten aduncus ein Fragezeichen setzen müsste. Nach 2003 wurden in die Mitgliedstaaten von EU/EFTA keine Wildfänge mehr eingeführt [3]. Große Tümmler sind ein wesentliches Standbein des "Whale Watching", einer milliardenschweren Industrie, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Jährlich nehmen weltweit ca. 13 Millionen Menschen in 119 Ländern an 500 verschiedenen Orten Whale Watching-Angebote in Anspruch. In Anbetracht der stellenweise hohen Dichte von Waltouristen sind verbindliche Regeln wie Mindestabstände zu den Tieren oder Geschwindigkeitsbegrenzungen für Boote unabdingbar, um den Schutz der Tiere zu gewährleisten, denn wenn sie sich gestört fühlen, kann es zu Abwanderungen von Populationen oder einer Verringerung der Reproduktionsrate kommen [15]. In den Anfangszeiten der Delfinhaltung gab es zahlreiche profitorientierte Haltungen, wo die Tiere mit minimalem Aufwand und entsprechend hohen Verlustengehalten gehalten wurden, einschließlich nicht ortsfester Delfinarien, die jeweils an Jahrmärkten aufgebaut wurden. Diese sind heute, zumindest in Europa, weitgehend verschwunden. 1963/64 kamen zwei Filme über den personifizierten Delfin "Flipper" in die Kinos. Basierend darauf wurden mehrere Fernsehserien produziert und, weil die ersten Filme kommerzielle Erfolge waren, gab es 1996 ein Remake. Der als Öko-Thriller vermarktete Film "Die Bucht" ("The Cove"), der sich gegen das Fangen und Töten von Delfinen in dem japanischen Fischerort Tai-ji wendet, war ebenfalls ein kommerzieller Erfolg [diverse Quellen]. HaltungGroße Tümmler können 40-45 (Männchen) bzw. 50 (Weibchen) Jahre alt werden, gelegentlich mehr. Als Höchstalter in Menschenobhut werden in der Literatur 58 Jahre angegeben [21]. "Der im September 2018 gestorbene "Moby" des Nürnberger Tiergartens erreichte ebenfalls 58 Jahre [PM Tiergarten Nürnberg]. Im Jahr 1990 lebten in den Zoos und Delfinarien der Mitgliedstaaten der EU und des EWR insgesamt 119 Große Tümmler, 10% (=12 Tiere) waren in menschlicher Obhut geboren, 90 % waren Wildfänge. Die Zählung von 1998 in diesen Ländern ergab ein Total von 181 Tümmlern verteilt auf 30 Institutionen in 11 Ländern. Der Anteil der Wildfänge war 64.6 %, jener der Nachzuchttiere 35.5 %. Im Jahr 2000 waren es bereits 188 Tümmler, wobei der Anteil der Wildfänge weiter auf 56 % gefallen, jener der zoogeborenen Tiere auf 44 %. gestiegen war. Im August 2021 schließlich lebten in den Delfinarien in EU-Ländern insgesamt 302 Tümmler, wovon nicht weniger als 78.5 % (= 237 Tiere) in Delfinarien geboren waren, z.T. bereits in zweiter Generation. 2023 war der Anteil der Nachzuchttiere auf 81.6 % gestiegen. Für 2008 liegen auch Zahlen der Alliance of Marine Mammal Parks and Aquariums (AMMPA) mit überwiegend nordamerikanischen Mitgliedinstitutionen vor, die 64 % Nachzuchttiere aufzuweisen hatten. Diese Fakten widerlegen die von bestimmten Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen in die Welt gesetzten Behauptungen, wonach Delfine kaum über längere Zeit gehalten werden und erst recht nicht in größerem Umfang gezüchtet werden könnten. Diese Behauptungen werden durch einen Überblick über die Entwicklung der Delfinhaltung während mehr als 50 Jahren in den Zoos von Duisburg und Nürnbergvon BAUMGARTNER et al. widerlegt [24]. Faktenblatt zur Delfinhaltung (2013, Inhalt immer noch zutreffend) Haltung in europäischen Zoos: Insgesamt gibt es rund 60 Haltungen. Die Nominatform wird (2023) in 26 Einrichtungen gehalten, davon 2 in Deutschland. Der Schwerpunkt der Haltung liegt in Spanien. Der Schwarzmeertümmler ist in 35 Institutionen zu sehen, hauptsächlich in Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Große Pazifische Tümmler gibt es in 3 Institutionen. Früher waren Tümmler in zahlreichen weiteren Einrichtungen zu sehen, zum Teil in Vergnügungsparks oder in Tierparks, die heute nicht mehr existieren, zum auch Teil als befristete Gastspiele der "Florida Dolphin Show". Für weitere Informationen siehe Zootierliste. Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) wird vom Ozeanium Valencia koordiniert. 2021 umfasste es 256 (135.121) Tiere in 27 Institutionen. Seit 2024 gibt es ein separates NewStyle EEP für die südamerikanische Unterart gephyreus. Forschung im Zoo: Große Tümmler sind Gegenstand zahlreicher Dissertationen und anderer Forschungsarbeiten. Auf der Internetseite des Zoo Duisburg sind 45 Arbeiten aufgeführt, an denen der Zoo beteiligt war. Auch aus dem Tiergarten Nürnberg gab es über einen Zeitraum von 20 Jahren 21 Dissertationen oder Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften. Bei den Arbeiten handelt es sich zum Teil um Grundlagenforschung, etwa über funktionelle cerebrale Asymmetrien visueller Prozesse und numerische Fähigkeiten [11], Quantitative Verhaltensuntersuchungen und qualitative Bewertungen zur Frage der Persönlichkeit [18] oder Untersuchungen der Zellbiologie des Blases [7]. Vielfach zielen die Arbeiten aber darauf ab, die Haltung zu Optimieren, z.B. durch die Analyse der Entwicklung der Delphinhaltung [17; 19], einen Vergleich der Vitaminversorgung gehaltener und wildlebender Tümmler [23], Vergleichende bakteriologische Untersuchungen zur Zusammensetzung der Atemwegsflora in verschiedenen Haltungssystemen [1], Untersuchung des Atmungstraktes durch Auskultation mittels elektronisch verstärktem Stethoskop [16], Untersuchung stressbedingter Verhaltensänderungen [5], ethologische und respiratorische Aspekte im Verlauf der Integration neuer Tiere in eine bestehende Gruppe [6], die Abklärung veterinärmedizinischer oder anderer Aspekte der Zucht [8; 14] oder die Untersuchung zum Einfluss des Publikums auf das Verhalten dressierter Delfine [12]. Wie Große Tümmler gehalten werden (Beispiel):
Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL bezieht sich ausschließlich auf den Großen Tümmler, für den im Falle einer Gruppe von 5 Tieren ein Mehbeckensystem mit einer Fläche von 600 m² und einnem Volumen von 2'200 m³ vorgegeben wird. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 5 Tieren eine Wasserfläche von 800 m² und ein Beckenvolumen von 4'000 m³ vor. In der früheren Fassung der Verordnung betrug die geforderte Fläche 450 m² und die Tiefe 3.5 m. Weshalb das Beckenvolumen von 1'575 m³ auf 4'000 m³ erhöht wurde, wurde nicht begründet. Die 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) enthält keine Mindestanforderungen für Delfine. Taxonomie und Nomenklatur Der Große Tümmler wurde 1821 von dem englischen Zoologen George MONTAGU als "Delphinus truncatus" beschrieben. Der französische Zoologe François Louis Paul GERVAIS stellte ihn 1855 in die neue Gattung Tursiops. Früher galten alle Großen Tümmler als Angehörige einer einzigen Art. Seit 1998 wurde der Indo-Pazifische Tümmler von manchen Autoren als eigene Art (Tursiops aduncus) betrachtet. Dies hat sich seidtdem weitgehend durchgesetzt. Beim Atlantischen Tümmler wird die im Schwarzen Meer lebende Population als Unterart (Tursiops truncatus ponticus) eingestuft und es wird diskutiert, ob nicht weitere Tursiops-Populationen Unterart- oder Artstatus haben sollten. Tursiops truncatus gillii von der amerikanischen Pazifikküste wird in der jüngsten Literatur nicht mehr oder nur als Synonym erwähnt [9; 21; 22]. |
Literatur und Internetquellen
- BRASS, I. (2002)
- CETA-BASE
- CITES TRADE DATA BASE
- DELFINARIUM ZOO DUISBURG
- DOLLHÄUPL, S. (2012)
- DOLLHÄUPL, S. (2015)
- GALLEGO, P. (2002)
- GESCHKE, K. (2001)
- HAMMOND, P.S. et al. (2012). Tursiops truncatus. The IUCN Red List of Threatened Species 2012: e.T22563A17347397. http://www.iucnredlist.org/details/22563/0. Downloaded on 23 May 2018.
- HERSH, S.L., D.K. ODELL, D. K. & ASPER, E. D. (1990)
- KILIAN, A. (2004)
- KUNKIS, N. (1996)
- MANN, J., CONNOR, R. C., BARRE, L. M. & HEITHAUS, M. R. (2000)
- NEUENHAGEN, C. (2003)
- PAGEL, C. (2011)
- SCHARPEGGE, J. (2007)
- SCHNUG, C. (1993)
- SCHWARZ, L. (2013)
- THIEMANN, H. (1991)
- WELLS, R. S. & SCOTT, M. D. (1990)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
- GIMMEL, A. E. R. (2016)
- BAUMGARTNER, K. et al. (2023)