Panzernashornkuh (Rhinoceros unicornis) mit Kalb im Zoo Basel
© Jörg Hess †, Zoo Basel
Überordnung: LAURASIATHERiA
Ordnung: Unpaarzeher (PERISSODACTYLA)
Familie: Nashörner (Rhinocerotidae)
Unterfamilie: Asiatische Nashörner (Rhinocerotinae)
Panzernashorn
Rhinoceros unicornis • The Great Indian Rhinoceros • Le rhinocéros unicorne des Indes
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Das Panzernashorn ist als charismatische und gefährdete Großtierart ein Paradebeispiel für das Naturschutzengagement moderner Zoos. Denn es gibt nicht nur ein Internationales Zuchtbuch und regionale Erhaltungszuchtprogramme, sondern die Zoos haben auch Kampagnen durchgeführt und als Folge von effektiven, zum Teil von Zoos geförderten Schutzmaßnahmen konnte es seinen Bestand im Ursprungsgebiet deutlich vergrößern. Dank dem gut funktionierenden Zuchtprogramm nimmt der Zoobestand in Europa laufend zu. Körperbau und KörperfunktionenDas Panzernashorn ist das größte asiatische Nashorn. Seine dicke, mit ausgeprägten Falten und stellenweise nietenartigen Beulen versehene Haut gibt ihm ein urtümliches Aussehen. Bullen erreichen eine Kopf-Rumpflänge von (300-)350-380 cm, eine Schwanzlänge von 60-75 cm, eine Schulterhöhe von 150-180(-195) cm und ein Gewicht bei den Bullen von 1'800-2'300 (-2'800) kg. Kühe sind bis 25% kleiner und leichter. Es hat ein einzelnes Horn, das bis 60 cm lang werden kann. Die Oberlippe ist als Greiforgan ausgebildet. Es sind nur 28 Zähne vorhanden, weil ein Teil der Schneidezähne und die Eckzähne fehlen. Die Haut ist graubraun gefärbt, in den Falten fleischfarben. Von den Wimpern, den Ohren und der Schwanzquaste abgesehen ist sie haarlos. [10; 16; 18; ISB 2017]. Als weitere Besonderheiten gibt BREHM an: "Der bis zur Kniekehle herabreichende, in der tiefen Afterfalte gewöhnlich größtentheils versteckte, beziehentlich sie deckende Schwanz an der Spitze von beiden Seiten her abgeplattet und hier ringsum zeilig behaart. Die großen, vorn gewölbten, unten scharf abgeschnittenen Hufe lassen die langgestreckte, herzförmig gestaltete, kahle, schwielige, harte Sohle zum größeren Theile frei. Die Geschlechtstheile sind sehr groß, die männlichen höchst sonderbar gebildet; das Euter des Weibchens enthält nur ein einziges Zitzenpaar." [2]. Verbreitung und BeständeSüdasien: Indien (Westbengalen, Uttar Pradesh, Assam), Nepal. Ausgestorben in Bhutan und Bangladesch [17]. Lebensraum und LebensweiseDas Panzernashorn besiedelt das Grasland der Schwemmebenen des Terai und Bahamaputra, geht aber auch in benachbarte Wälder und Sümpfe. Wegen der dichten menschlichen Besiedlung nutzt es auch Agrarland und Sekundärwälder. Es ist hauptsächlich ein Grasäser, Elefantengräser (Saccharum spp.) bilden einen wesentlichen Teil seiner Diät. Im Winter werden auch vermehrt Büsche abgeweidet. Die Tiere sind überwiegend am früheren Vormittag, späten Nachmittag und nachts aktiv und ruhen während der heißesten Tageszeit. Wenn sie nicht fressen, liegen sie gerne im Wasser. Alte Bullen leben solitär, wobei sich ihre Streifgebiete überlappen. Die Bullen kämpfen oft miteinander, was bisweilen mit dem Tod eines der Kontrahenten, andernfalls mit der Etablierung einer Hierarchie enden kann. Jungbullen und Kühe treten bisweilen in Gruppen auf. Die Streifgebiete sind im Vergleich zu jenen anderer Nashornarten klein. Nach einer Trächtigkeit von 479 (424-496) wird ein einzelnes Kalb mit einem Geburtsgewicht von 64.5 (44-91) kg geboren. Die Geburtsintervalle betragen ca. 46 (34-50), im Zoo 32-33 Monate. Unter natürlichen Bedingungen erreichen Kühe Geschlechtsreife mit 5 (4-6) Jahren, Bullen mit 9 Jahren [4; 10; 16; 17; 18; ISB 2017]. Gefährdung und SchutzDie Art war vor ca. 100 Jahren fast ausgestorben. Gründe dafür waren die Umwandlung von Grasland in Agrarflächen und die Jagd. Durch Schutzbemühungen sind seither sind die Bestände stetig gestiegen. Trotzdem ist die Art weiterhin gefährdet, da Tiere immer noch wegen ihres Horns gejagt werden und die Lebensraumqualität eher abnimmt. Bis 1996 wurde das Panzernashorn von der IUCN als stark gefährdet (Rote Liste: ENDANGERED) taxiert. Nach einer Neubeurteilung im Jahr 2008, überprüft und bestätigt 2018, wurde es in die Kategorie gefährdet (VULNERABLE) herabgestuft [17]. Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):
Bedeutung für den MenschenWirtschaftliche Bedeutung: Abgesehen von der sporadischen Abgabe einzelner Tiere an einen Zoo ist der Handel mit Exemplaren, hauptsächlich Hörnern, aber auch anderen Körperteilen für die Zwecke der traditionellen orientalischen Medizin illegal. Panzernashörner sind die Hauptattraktion des Kaziranga-Nationalparks und sind auch in anderen Parks wichtig für den Tourismus. Andererseits hat die lokale Bevölkerung nicht unbedingt Freude, wenn die Nashörner nachts ihre Felder abweiden [17]. HaltungHistorisches: Bereits im Jahre 80 war das erste lebende Panzernashorn nach Europa eingeführt und von Kaiser TITUS im Kolosseum zu Rom zur Schau gestellt worden. Das zweite Panzernashorn kam 1515 nach Lissabon. Es wurde von einem lokalen Künstler in einem Holzschnitt verewigt, auf dessen Grundlage ALBRECHT DÜRER (1471-1528) seine berühmte Nashorndarstellung anfertigte. Das Dürer'sche Nashorn wies auf der Schulter ein kleines, spiralig gedrehtes Horn auf, das berühmte "Dürer-Hörnlein", dessen Herkunft möglicherweise ein zufälliger Schnörkel im Original war [5]. Dieses "Dürer-Hörnlein" wurde mehr als zwei Jahrhunderte lang fleißig kopiert, bis es nach Ankunft des dritten Panzernashorns in Europa (1714) allmählich aus den Darstellungen verschwand [8]. Solche hornartigen Hautauswüchse im Schulterbereich können aber tatsächlich vorkommen, so bei einem Nashorn das vor mittlerweile vier Jahrzehnten im Zoo von San Francisco gehalten wurde. Allerdings sind sie nicht, wie von DÜRER dargestellt, spiralig gedreht [7]. BREHM berichtet über ein Panzernashorn des Antwerpener Zoos, das zahlreiche hörnchenartige Hautwucherungen aufwies [2]. Von 1515 bis zur Französischen Revolution gelangten insgesamt acht Panzernashörner nach Europa, darunter die völlig zahme "Clara", die ein Kapitän der holländischen Ostindienkompanie 1741 von Calcutta nach Holland gebracht und während 17 Jahren in ganz Europa zur Schau stellte, so etwa 1747 auf der Leipziger Messe und 1748 in Stuttgart. Der Transport von Ort zu Ort erfolgte in einem von acht Pferden gezogenen Holzkarren [5; 13]. Beim Liebesspiel der Panzernashörner geht es wild zu und her. Wenn es einem Zoo schon einmal gelang, ein Paar zu erwerben, scheiterte die Zucht daran, dass man die Tiere aus Sorge, sie würden sich gegenseitig umbringen, jeweils sofort wieder trennte und damit eine Paarung verhinderte. So geschehen z.B. im Zoologischen Garten Berlin im Jahr 1871 [11]. Mittlerweile halten rund 30 europäische Zoos Panzernashörner. Von diesen befinden sich etwa ein Fünftel im deutschsprachigen Raum. Für weitere Details siehe Zootierliste. Das seit 1966 bestehende Internationale Zuchtbuch (ISB) wird am Zoo Basel geführt und der Zoo Basel koordiniert auch das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP). Dieses existiert seit 1990. Am 31. Dezember 2020 lebten weltweit 223 Panzernashörner in 81 Zoos, davon waren 73 Tiere / 29 Haltungen im EEP [ISB 2020]. Von den im Jahr 2017 in Europa gehaltenen Tieren waren 91% bereits im Zoo geboren, das älteste 1982 im Zoo Planckendael [ISB 2017]. In Panzernashörner können mit anderen Tierarten, wie Zwergottern, Mähnenschweinen, Muntjaks, Leier-, Axis- oder Sikahirschen oder Hirschziegenantilopen vergesellschaftet werden. Die EAZA hat 2015 neue "Best Practice Guidelines" für die Haltung von Panzernashörnern herausgegeben. Diese gehen auch auf tiermedizinische Aspekte ein, namentlich auf die Vermeidung von chronischen Fußerkrankungen [21]. Wie Panzernashörner gehalten werden (Beispiel): Forschung im Zoo: Panzernashörner sind beliebte Studienobjekte für Doktor-, Diplom- und Examensarbeiten. Dabei kann es um Grundlagenforschung gehen, z.B. über akustische Kommunikation [15], oder um angewandte Forschung mit dem Ziel, die Haltungsbedingungen zu optimieren oder die Erhaltungszucht zu fördern. So wurden z.B. Untersuchungen zur Chronoethologie und Gehegenutzung [3; 20] oder zu Fütterung und Verdauungsphysiologie gemacht [14] oder Informationen zu veterinärmedizinischen Problemen zusammengetragen und analysiert [1; 9; 12]. Im Zoo Basel wurde die Milch des Panzernashorns und die Veränderung ihrer Zusammensetzung im Lauf der Laktation detailliert analysiert. Grundsätzlich hat die Milch einen niedrigen Fett- und Proteingehalt, dafür aber einen hohen Laktosegehalt und ist damit vergleichbar der Milchzusammensetzung anderer Nashornarten und der von Pferden [22]. Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt 1000 m² als Mindestfläche für ein Außengehege für zwei Tiere und 60 m² als Mindest-Boxenfläche pro Tier vor. Das ist das Doppelte bzw. mehr als das Doppelte der Empfehlungen der in Teil V des Gutachtens zitierten „Best Practice Guidelines“ aus dem Jahr 2002 [4]. Entsprechend den Erfahrungen der Nashörner haltenden Institutionen hielten die Tierschutzsachverständigen der Zoos jedoch folgende Mindestanforderungen für angemessen: Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu zwei Panzernashörner eine Mindestfläche von 500 m², für jedes weitere Tier 150 m² mehr vor. Pro Tier ist eine Stallfläche von 25 m² erforderlich. Es ist eine Suhle einzurichten und es muss eine ganzjährig benützbare Bade- oder Duschgelegenheit vorhganden sein. Die 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 20243) verbietet die Einzelhaltung, was in Anbetracht der Sozialstruktur der Art mit Tierschutzargumenten nicht begründbar ist, und fordert für 2 Panzernashörner ein mit einer Suhle und einer Bademöglichkeit ausgestattetes Außengehege von 1'000 m², für jedes weitere Tier 100 m² mehr. Pro Tier ist eine Stallfläche von 30 m² notwendig und es ist auch innen eine Bademöglichkeit einzurichten. Taxonomie und NomenklaturDas Panzernashorn wurde 1758 von Carl von LINNÉ unter seinem heute noch gültigen Namen beschrieben. Es hat keine Unterarten. Die zweite Art der Gattung, das Javanashorn (Rhinoceros sondaicus) ist der Wissenschaft seit 1822 bekannt [19]. |
Literatur und Internetquellen
- BLATTER, L. (2014)
- BREHM, A. E. (1882-1887)
- DENGG, K. B. (2009)
- GULDENSCHUH, G. & VON HOUWALD, F. (Hrsg., 2002)
- HEDIGER, H. (1938)
- HEDIGER, H. (1953)
- HEDIGER, H. (1970)
- HEDIGER, H. (1990)
- HOUWALD, F. von (2001)
- INTERNATIONAL RHINO FOUNDATION
- KLÖS, H.-G. (1969)
- KULOW, W. (1990)
- NEUSCHULZ, N. & MEISTER, J. (1998)
- POLSTER, C. (2004)
- REINOLD, C. (2014)
- RHINO RESOURCE CENTER
- ELLIS, S. & TALUDAR, B. (2019). Rhinoceros unicornis. The IUCN Red List of Threatened Species 2019: e.T19496A18494149. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2019-3.RLTS.T19496A18494149.en . Accessed on 03 February 2023.
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
- WIRZ, A. (2009)
- HOUWALD, F. von (2015) EAZA Best Practice Guidelines - Greater one-horned rhinoceros (Rhinoceros unicornis). 1. Auflage. 88 Seiten. Zoo Basel.
- GIMMEL, A. et al. (2018)